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Unser WM-Experte: Der frühere Hertha- und Nationalstürmer Fredi Bobic.

© Kitty Kleist-Heinrich

Unsere WM-Experten: Fredi Bobic: Klose wird nur 45 Minuten Zeit haben

Aus unserem WM-Experten-Team schreibt der frühere Hertha- und Nationalstürmer Fredi Bobic heute über Kollege Miroslav Klose und das Stahlbad, durch das jeder Stürmer in seiner Karriere muss.

Es dauert keine zehn Sekunden, dann sieht man es: Wie ist Miroslav Klose drauf? Wenn es läuft, hat er diese gewisse Körpersprache, die sagt: Ich packe es! Doch momentan ist er in einem Tal, er lässt von Beginn an die Schultern hängen. Gegen Bosnien bewegte er sich schlecht, ging nicht richtig in die Zweikämpfe, ihm fehlte die Sicherheit. Man merkte ihm die Krise an.

Das ist dieses Stahlbad, durch das jeder Stürmer in seiner Karriere gehen muss. Aus eigener Erfahrung weiß ich: Der Knoten platzt irgendwann, meistens durch ein total blindes Tor. Der Ball springt dir vom Pfosten an den Bauch und tropft rein. Oder du wirst angeschossen.

Miro weiß das, das Problem ist nur: Er muss sich gegen Australien beweisen. Doch dazu wird er keine 90 Minuten Zeit haben, sondern wahrscheinlich nur 45. Cacau sitzt ihm im Nacken, Miro muss von Beginn an anders auftreten. Erschwerend für ihn kommt eine zweite Sache hinzu: Das System. Die Deutschen spielen im 4-2-3-1-System, also drei offensive Mittelfeldspieler hinter einer einzigen echten Spitze. Spieler wie Klose, Mario Gomez oder Stefan Kießling sind aber gewohnt, mit einem Sturmpartner zu spielen. Mir gefiel das als Aktiver auch besser: Du kreuzt die Laufwege, legst dem anderen auf, bindest dessen Gegenspieler. Da bist du im Strafraum unterwegs und suchst den entscheidenden Ballkontakt, wenn der Ball mal von außen reinkommt.

Doch im jetzigen System ist das anders. Da musst du als Stürmer auf dem ganzen Platz rumwuseln und den Mittelfeldspielern die Räume freischaufeln. Spieler wie Mesut Özil, Marko Marin oder Toni Kroos sind keine Flankengötter, die suchen selbst den Weg zum Tor. Der aktuelle Fußball zeigt die Bedeutung dieser offensiven Mittelfeldspieler, doch für die Stürmer erschwert es die Aufgabe. Das wäre wirklich auch nichts für mich gewesen. Da machst du die Drecksarbeit, doch am Ende zählt nur, ob du ein Tor gemacht hast oder nicht.

Sollte Miro tatsächlich nicht in die Spur zurückfinden, wird Cacau ihn ersetzen. Ihm liegt das System mit einer Spitze, er ist ein wuseliger Stürmer wie Ivica Olic. Zudem blüht er auf, hat ein tolles Halbjahr hinter sich. Es ist Cacaus erstes Turnier, und man merkt ihm die Euphorie förmlich an. Im Vorbereitungsspiel gegen Bosnien freute er sich wie ein kleines Kind, dabei zu sein. Von der Stimmungslage trennen Miro und Cacau derzeit also Welten. Vielleicht ändert sich das im Spiel gegen Australien, und Miro blüht genauso auf. Man wird es relativ früh an seiner Körpersprache sehen.

Fredi Bobic absolvierte 37 Länderspiele im Sturm der Nationalelf und kommentiert nun mit Marcel Reif, Arnd Zeigler, Philipp Köster und Michael Oenning im Wechsel die WM. Mehr Kolumnen unter www.tagesspiegel.de/wm2010.

Fredi Bobic

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