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WM-Einstimmung: Mit Ball, Berg und Bolide

Bergsteiger Reinhold Messner hat die deutsche Elf im Trainingscamp besucht, auch die Bundeskanzlerin war schon da. Die Vorträge gehören zum Motivationstraining zur Einstimmung auf die WM.

Neulich schaute die Vergangenheit am Lammweg 22 vorbei, dort, wo die Fußballer der Nationalmannschaft noch bis Mittwoch wohnen werden. Sepp Maier, der ehemalige Torwarttrainer, hat ein Ferienhäuschen im sonnigen Südtirol, da bot sich der Plausch mit den Ex-Kollegen in der Nachbarschaft an. Maier hatte seinen Spaß, nur sein alter Hund nicht, der hechelte erschöpft in der Hitze. „Der ist nicht mehr ganz so fit“, sagte Maier und staunte über das Quartier: „Das ist ein bisschen komfortabler als in Malente.“

Im Städtchen Malente an der Ostsee haben die Fußballer früher stets vor Weltmeisterschaften gewohnt, doch die Art der Vorbereitung hat sich radikal verändert. Nicht mehr nur um Kraftgebolze und Ausdauerläufe geht es, sondern auch um Psychotricks und mentale Vorbereitung in der Gegenwart, um fit für die Zukunft zu sein, die da heißt: Fußball-WM in Südafrika. Und deshalb empfängt die Nationalmannschaft in diesen Tagen nicht nur alte Fußballhelden wie Sepp Maier, sondern noch so manch anderen Gastreferenten zum Motivationsgespräch.

Den Auftakt machte der graubärtige Bergsteiger und Abenteurer Reinhold Messner, der nach dem windigen Vormittagstraining am Donnerstag auf dem Sportplatz vorbeischaute. Die Nationalspieler – inklusive Trainerstab und Manager – hockten sich, fast so brav wie eine F-Jugend, im Kreis auf den Rasen und hörten ihm minutenlang zu. Ihnen schien es gefallen zu haben, denn als der alte Mann schließlich verstummte, gab es donnernden Applaus. Und Miroslav Klose drückte dem Gast ein Trikot der Mannschaft in die Hand, auf dem alle mit einem Filzstift unterschrieben hatten.

Messner ist nur ein Jahr jünger als Sepp Maier und auch wahrlich kein ausgebildeter Psychologe, aber es gibt da so einige Gemeinsamkeiten zwischen einem anstrengenden Bergaufstieg und einer wochenlangen WM. Bei beiden ist der Mannschaftsgeist immens wichtig und auch der unbedingte Wille in Extremsituationen. Vor ein paar Tagen, bei einem Abendessen auf einer alten Festung hoch über Bozen, hat das Messner einmal genauer erklärt: „Einen Achttausender zu besteigen, ist heutzutage leichter als die WM zu gewinnen.“ Der Mount Everest zum Beispiel sei „eine Piste, ein präparierter Weg. Die WM ist dagegen keine gemähte Wiese“. Deshalb sei es wichtig, dass sich alle aufeinander verlassen können, dass sich alle auf das eine gemeinsame Ziel konzentrieren und dass keiner ständig stänkert – Bergsteiger wohnen mit ihren Helfern schließlich auch tagelang auf engstem Raum in Minizelten. Das ist am Berg nicht anders als am Ball.

Joachim Löw, der 2003 den Kilimandscharo bezwang, hatte sich auf den Besuch von Messner richtig gefreut, auch wenn er die These des Bergsteigers dankenswerterweise relativierte: „Weltmeister zu werden, ist sicherlich nicht die einfachste Aufgabe“. Allerdings gehe es beim Bergsteigen um Leben und Tod.

Diese Art des Motivationsvortrags hat eine gewisse Tradition vor Weltmeisterschaften seit der Ära Jürgen Klinsmann. Vor der WM 2006 besuchte Michael Schumacher die Fußballer in ihrem Vorbereitungsquartier in Genf. Schumacher, ein großer Fußballfan, wird auch diesmal wieder zu den deutschen Nationalspielern nach Südtirol fliegen.

Aus allen Gesellschaftsschichten hörten die Fußballer in der Vergangenheit schon Vorträge: Extremsportler Stefan Glowacz referierte einst im Mannschaftshotel („Ich sah in den Augen der Spieler den Tiger“), der Professor und Unternehmensberater Herbert Henzler von McKinsey plauderte über die Verquickung von Gesellschaft, Wirtschaft und Fußball. Zuletzt, im ersten Trainingslager auf Sizilien, war Rugby-Star Jonah Lomu aus Neuseeland zu Gast beim WM-Team.

Am Montag schaut noch Kanzlerin Angela Merkel bei Löws Truppe am Lammweg 22 vorbei. Man kennt sich schon, 2006 saß sie beim Abendbrot mit den Fußballern in Berlin zusammen.

Der Bergsteiger Messner hat Bundestrainer Löw „einen sehr feinsinnigen Psychologen“ genannt. Der sei einer, der stets das große Ziel vor Augen habe. Und das ist nun einmal der Gewinn der Weltmeisterschaft. Und damit das auch ja keiner aus dem Blick verliert, hatte die Delegation des Deutschen Fußball-Bundes zwischendurch noch zu einem Kinobesuch geladen. In Bozen schauten die Nationalspieler den Film „Invictus“ von Regisseur Clint Eastwood. In dem Film geht es um Südafrikas Präsidenten Nelson Mandela, der mit der Rugby-WM 1995 sein Volk unabhängig von der Hautfarbe über ein Sportfest vereinte. Ganz so pathetisch wird die WM schon nicht werden, aber beeindrucken kann der Doku-Streifen trotzdem. Und genau das soll er auch.

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