zum Hauptinhalt
Der Superstar der Engländer ist eindeutig Wayne Rooney.

© AFP

WM-Gruppe C: England lässt nichts anbrennen

Der Gruppen-Check, Teil 3: In der Vorrundengruppe C spricht auch ohne David Beckham und Rio Ferdinand alles für einen Durchmarsch des englischen Teams. Dahinter streiten sich Algerien, die USA und Slowenien um den zweiten Platz.

England: Die Gier nach mehr

Bringt die Unglückszahl 13 den titelhungrigen Briten endlich die Erlösung? Seit dem Titelgewinn im eigenen Land sprang für die "Three Lions" bei Großturnieren nichts Zählbares mehr heraus. Eine einzige Siegestrophäe für das Mutterland des Fußballs - so kann kann es nicht weitergehen. Und so plant England für WM-Teilnahme Nummer 13 den großen Coup.

Die Briten haben sich über die Jahrzehnte hinweg eine schon als tragisch zu bezeichnende Geschichte von Niederlagen im Elfmeterschießen erarbeitet. 1998 war so im Achtelfinale gegen Argentinien Schluss, 2006 im Viertelfinale gegen Portugal. Von der EM 1996 ganz zu schweigen. In fast jedes Turnier gehen die Engländer als Mit-Favorit an den Start, nur um an dem immensen Druck, der auf den Spielern lastet, letztlich zu scheitern. Ein Treffer mitten ins Herz der englischen Fans war auch die Schmach, sich nicht für die EM 2008 qualifiziert zu haben.

In der Qualifikation für die WM 2010 schoss sich das Team, das mittlerweile von Fabio Capello betreut wird, den aufgestauten Frust von der Seele. So wurde unter anderem Kroatien förmlich aus dem Wettbewerb geschlossen - das Balkanland hatte die "Three Lions" aus dem Starterfeld der EM 2008 katapultiert. Neun Siege, eine Niederlage, 34:6 Tore, sechs Punkte Vorsprung vor der Ukraine - eine beeindruckende Bilanz. Was den starken Eindruck etwas schmälert, sind eine Niederlage gegen Brasilien in der Vorbereitung und ein mehr als wackeliger Sieg gegen Japan, der durch Eigentore gesichert wurde.

Der Kader ist prinzipiell über jeden Zweifel erhaben. Superstar ist eindeutig Wayne Rooney, der allerdings nach einer Verletzung im Saisonendspurt um seine Topform kämpft. 26 Tore in 32 Ligaspielen sind und bleiben ein sensationeller Wert - und eine massive Gefahr für jeden Gegner. Allerdings fehlt jemand wie ein Michael Owen früherer Stärke, ein zweiter Stürmer der Güteklasse A. Jermaine Defoe wusste in der vergangenen Saison zu überzeugen, muss das aber auf die internationale Bühne übertragen - und gesund bleiben.

Im Mittelfeld tummeln sich Hochkaräter: Steven Gerrard und Frank Lampard zählen zur absoluten Weltspitze, sind beide aber nicht mehr ganz taufrisch. Die vielleicht letzte Chance auf einen WM-Titel sollte beiden aber ordentlich Beine machen. Auch die Defensive ist mit Namen wie Ashley Cole und John Terry bestens bestückt, eingespielt und erfahren genug. Bitter ist allerdings der Ausfall von Neu-Mannschaftskapitän Rio Ferdinand, eine Knieverletzung stoppte den Routinier von Manchester United kurzfristig.

Traditionelle Schwachstelle ist die Position des Torwarts. Die Nummer eins trugen in den vergangenen Jahren verschiedene Keeper, mittlerweile hat sich der bald 40-jährige David James durchgesetzt. Fehlerfrei ist auch der nicht - und beschwerte sich schon im Vorfeld über den WM-Ball Jabulani, um im Falle eines Falles jede Schuld von sich schieben zu können.

Nicht dabei sind der verletzte David Beckham und überraschend auch Top-Talent Theo Walcott. Trotz Verletzungssorgen strotzt Coach Capello vor Selbstbewusstsein: "Das perfekte Szenario wäre es, Deutschland zu schlagen und dann den Pokal mit einem Finalsieg gegen Frankreich zu gewinnen", tönte der knorrige Italiener. "Wenn alle Spieler für die Weltmeisterschaft fit sind, können wir alle Mannschaften schlagen."

Fazit: Werden und bleiben die Stars fit, kann es für die "Three Lions" richtig weit gehen. Die Vorrunde sollte nur Makulatur sein, danach droht ab dem Achtelfinale unter anderem die Begegnung mit der DFB-Auswahl. Erzwingen die Engländer die Entscheidungen über das Spiel und hält David James endlich mal den Laden dicht, wäre der Durchmarsch ins Halbfinale drin. Spätestens dort sollte aber Schluss sein - wenn die Routiniers nicht, wie zuletzt bei Weltmeister Italien, das Team über sein Limit treiben.

Prognose: Ein Vorrundenaus steht nicht zur Diskussion. England muss nominell die Gruppe als Erster abschließen. Danach ist vieles, aber nicht alles drin.


Algerien: Nur auf der Durchreise

In Algerien ist ein alter Bekannter zurück auf der größtmöglichen Fußballbühne. Für den nordafrikanischen Staat ist es die insgesamt dritte Endrundenteilnahme bei einer Weltmeisterschaft. Zuletzt gelang dies 1986 in Mexiko - ein Ausflug, der wie vier Jahre zuvor in Spanien bereits nach der Vorrunde beendet war. Dabei wäre besonders 1982 mehr drin gewesen: Die Algerier waren damals Leidtragende der sogenannten "Schande von Gijon", als ihre Gruppengegner Deutschland und Österreich einen "Nichtangriffspakt" schlossen, nachdem Hrubesch das frühe 1:0 für die DFB-Elf erzielt hatte - ein Ergebnis, das beiden Teams das Weiterkommen ermöglichte. Zuvor hatten die Afrikaner sensationell die deutsche Elf bezwungen. Und während die DFB-Kicker bis ins Finale marschierten, mussten desillusionierte Algerier die Heimreise antreten.

In der jüngeren Vergangenheit konnte Algerien international nicht mehr wirklich überzeugen. Größter Erfolg überhaupt war der Gewinn der Afrikameisterschaft im Jahr 1990. Und so war es schon eine kleine Sensation, dass sich die "Wüstenfüchse" für das WM-Turnier in Südafrika qualifizieren konnten. Nach der letzten Qualifikationsrunde war man punkt- und torgleich mit Ägypten, zu diesem Zeitpunkt zwei Mal in Folge Afrikameister. Es musste ein Entscheidungsspiel her. Das Spiel auf neutralem Boden entschied Algerien überraschend für mit 1:0 für sich. Überschattet wurde das sportliche Ergebnis allerdings von Ausschreitungen und Krawallen, die 18 Menschen das Leben kosteten. "Ich hatte Angst um mein Leben", gestand der Mönchengladbacher Bundesligaprofi Karim Matmour. "Aber die Erlebnisse haben uns noch mehr zusammengeschweißt."

Danach hagelte es, trotz eines beachtlichen vierten Platz bei der folgenden Afrikameisterschaft, zahlreiche Niederlagen. Beim Turnier verlor Algerien gegen Malawi (0:3), gewann knapp gegen Mali (1:0) und trennte sich von Angola mit einem torlosen Remis. Dennoch reichte es für das Viertelfinale, in dem der Top-Favorit Elfenbeinküste nach Verlängerung mit 3:2 niedergerungen wurde. Im Halbfinale kam es erneut zum Duell mit dem späteren Titelträger Ägypten, die krachend Revanche (0:4) für die Niederlage in der WM-Qualifikation nahmen. Das Spiel um Platz verlor Algerien mit 0:1 gegen Nigeria.

Auch in den Vorbereitungsspielen konnte das Team von Trainer Rabah Saadane nicht ansatzweise überzeugen. Sowohl gegen Serbien als auch Irland ging Algerien mit 0:3 als Verlierer vom Platz.

Der Kader ist gespickt mit Auslandslegionären, darunter auch gute Bekannte aus der Bundesliga. Zu nennen wären bereits erwähnter Karim Matmour, Stürmer bei Mönchengladbach und Star der Mannschaft, dazu Anthar Yahia (VfL Bochum), Karim Ziani (VfL Wolfsburg), Madjid Bougherra (Glasgow Rangers) und Yazid Mansouri (FC Lorient). Wie bei so vielen "Underdogs" können einzelne Könner zwar den Unterschied machen, entscheidend ist jedoch das Kollektiv. Matmour schätzt die Chancen auf ein Weiterkommen in einer Gruppe mit England, den USA und Slowenien durchaus realistisch ein: "Die nächste Runde zu erreichen, wäre etwas Riesiges."

Fazit: Algerien spielt einfach zu unkonstant, um sich gegen Teams wie England und die USA durchsetzen zu können. Und auch Slowenien will erstmal geschlagen sein. Es mangelt nicht wirklich an Qualität, aber es müssten über drei Spieltage hinweg alle Faktoren zusammenpassen, damit das Achtelfinale winkt - und damit ist nicht zu rechnen.

Prognose: Das Überstehen der Vorrunde wäre eine handfeste Überraschung. Die Nordafrikaner treten nach dem dritten Spiel die Heimreise an.


USA: Das "Schwellenland" will in den Kreis der Besten vorstoßen

Als 1994 die Fußballweltmeisterschaft in den USA ausgetragen wurde, galten die Staaten noch - zurecht - als kicktechnisches Entwicklungsland. Für den König aller Sportarten musste mit "Soccer" sogar eine eigene Vokabel her, da "Football" bereits fest mit der dortigen Ertüchtigungsform Nummer eins assoziiert war. 16 Jahre später ist "Soccer" rund um den Globus geläufig und auch wenn die USA nach wie vor keinen ernst zu nehmenden Ligabetrieb aufweisen können - der Qualitätssprung, den die Auswahlmannschaft gemacht hat, ist nicht wegzureden.

Fußball hatte sich jenseits des großen Teichs überwiegend als Frauensportart etabliert und die Damenmannschaft war über Jahre hinweg das Maß aller Dinge. Vom klassisch amerikanischen Ehrgeiz wurde die Sportart im Männerbereich lange verschont. Natürlich gab es so etwas wie eine Profiliga, aber damals wie heute kickten dort vielfach ausrangierte Spieler aus anderen Ländern, die mit dicken Gehaltsschecks geworben wurden. Franz Beckenbauer hat es getan, Pele tat es, Beckham tat es.

Doch rund um die WM 1994 sprang der Funke allmählich über. Tom Dooley und Eric Wynalda spielte als bekannteste US-Boys in der Bundesliga, wurden dort immer mehr zu Leistungsträgern. Die Achtungserfolge mehrten sich, die Jugendarbeit wurde breiter und erfolgreicher. Und spätestens mit Erreichen des Viertelfinals 2002, wo die DFB-Auswahl Endstation war, wurde klar, dass aus den USA eine respektable Fußballnation geworden war. Das Team duelliert sich beständig mit Mexiko um die sportliche Vorherrschaft in Nord- und Mittelamerika. Im vergangenen Jahr ließen die Amerikaner beim Confederations Cup aufhorchen. Die Generalprobe zur WM wurde zu einem der größten Erfolge, erst im Finale unterlag man Brasilien knapp mit 2:3. Die US-Mannen können die Rückkehr ans Kap - und die achte WM-Teilnahme - daher kaum erwarten.

Überraschend unsouverän verlief allerdings die Qualifikation. Erzrivale Mexiko konnte zwar knapp distanziert werden, was aber an drei Niederlagen der Mittelamerikaner lag. Die US-Boys ließen unter anderem gegen Außenseiter Costa Rica Federn.

Der Kader verfügt über eine ansehnliche Anzahl von Legionären, wirkliche Spitzenvereine finden sich unter den Arbeitgebern aber nicht. Unangefochtener Star des Teams ist Landon Donovan von Los Angeles Galaxy. Richtig, der Landon Donovan, der in der Bundesliga erst bei Bayer Leverkusen durchfiel und später als Wunschspieler Jürgen Klinsmanns bei den Bayern vollkommen unterging. In den USA trumpft Donovan jedoch groß auf, wurde jüngst zum dritten Mal Spieler des Jahres.

Auf dem Kapitän ruhen die Hoffnungen einer ganzen Nation - eigentlich zu Unrecht, betrachtet man die übrigen Spieler. Die Torhüterposition ist traditionell gut besetzt, in Tim Howard und Brad Guzan stehen zwei Profis aus der englischen Premier League zur Verfügung. Aus Hannover reist Steve Cherundolo mit all seiner Erfahrung an, Kollege Jonathan Spector hat sich in der Stammelf von West Ham United festgespielt. Auch das Mittelfeld mit DaMarcus Beasley, Clint Dempsey, Maurice Edu und dem Gladbacher Michael Bradley liest sich auf dem Papier stark. Bradley steht besonders im Fokus, ist sein Vater doch niemand geringeres als Nationalcoach Bob Bradley.

Fazit: Die USA können nicht auf Augenhöhe mit England agieren, sollten jedoch dank konsequenter Fortentwicklung in den vergangenen Jahren stärker sein als Algerien und Slowenien. Das Team konnte sich einspielen und wird vom US-typischen Ehrgeiz nach vorne gepeitscht. Individuelle Klasse und Zusammenhalt sind absolut achtelfinaltauglich. Reiten die US-Boys bis dahin auf einer Euphoriewelle, sind sogar kleine Überraschungen drin. Läuft es in der Vorrunde schlecht, wird danach Schluss sein.

Prognose: Gruppenzweiter, eine Nuance stärker als die beiden Konkurrenten. Landon Donovan hat die Fähigkeiten, das Team auf internationalem Parkett notfalls mit der Brechstange ins Achtelfinale zu bringen. Am Ende sollte das Weiterkommen jedoch klar sein.


Slowenien: Der Außenseiter mit Potenzial für Überraschungen

Für die größte Überraschung haben die Slowenen bereits in der Qualifikation gesorgt. Der Punkt ist nicht die unerwartete zweite WM-Teilnahme, sondern die Tatsache, dass in Russland der haushohe Favorit der Entscheidungsspiele der Gruppenzweiten ausgeschaltet wurde. Eine Leistung, die die Endrundengegner aufhorchen lässt.

Slowenien stand sportlich größtenteils im Schatten einer anderen ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik. Über 15 Jahre dominierte Kroatien auf internationaler Bühne, bringt bis heute wahre Fußball-Idole hervor. Und so hat Slowenien bisher für wenig Aufsehen gesorgt. EM-Teilnahme 2000, WM-Endrunde 2002. Damals wurde allerdings kräftig Lehrgeld gezahlt, drei Niederlagen bedeuteten die Abreise nach der Vorrunde. Eines der Ziele für das Turnier in Südafrika muss daher Schadensbegrenzung lauten.

Auch wenn der Sieg gegen Russland der große Coup war, überhaupt dorthin zu kommen, kann nicht als Selbstverständlichkeit gesehen werden. Die Qualifikationsgruppe war nicht von Pappe, Platz eins (der an die Slowakei ging) wurde nur um zwei Punkte verpasst. Man trotzte den Tschechen zwei Unentschieden ab, schlug Polen und besagte Slowakei - das favorisierte Tschechien musste schockiert mit ansehen, wie Slowenien sich absetzte. Die Erfolgsgeschichte hat das Team aber auch ein wenig übermütig werden lassen: das Achtelfinale soll es bei der WM nach eigener Einschätzung schon mindestens sein.

Der Kader der Slowenen ist schwer einzuschätzen. Bekanntester Name aus deutscher Sicht ist Milivoje Novakovic, Stürmer des 1. FC Köln. Auch Teamkollege Miso Brecko oder der Bochumer Zlatko Dedic dürften vielen ein Begriff sein. In Samir Handanovic von Udinese Calcio hat die Mannschaft von Trainer Matjaz Kek einen überdurchschnittlichen Torwart in den eigenen Reihen. Kapitän und eigentlicher Star der Slowenen ist Robert Koren, dem jüngst mit West Bromwich Albion der direkte Wiederaufstieg in die englische Premier League gelang - mit Koren in einer tragenden Rolle. Manche haben den Mittelfeldakteur sogar als möglichen Star der WM-Endrunde auf dem Zettel.

Fazit: Slowenien lebt vom Kollektiv und wenigen Ausnahmespielern. Sie haben zwar nicht die stärkste aller Vorrundengruppen erwischt, England und die USA werden sich aufgrund der reichhaltigen internationalen Erfahrung jedoch nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Es riecht nach einer weiteren Runde Lehrgeld, selbst die Routiniers konnten langfristig immer nur auf nationaler Ebene Praxis erlangen. Die Slowenen werden sicher keine Klatsche erleben, auch mal an der Überraschung schnuppern, sich aber an den Gedanken der schnellen Heimreise gewöhnen müssen.

Prognose: Slowenien hat durchaus Überraschungspotenzial, läuft jedoch alles normal, ist nach der Vorrunde Endstation, dafür ist der Vorsprung der Auswahlteams der USA und England einfach zu groß.

(Quelle: Handelsblatt)

Alexander Möthe, Handelsblatt

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false