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Viele ehemalige Fußball-Profis müssen sich nach der Karriere in anderen Berufen verdingen - etwa als Kioskbesitzer

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Fußballer nach der Karriere: Von Kioskbesitzern und Estrichlegern

Einst gefeierte Fußballstars - und heute? Ein Twitter-Projekt stöbert Bundesliga-Idole vergangener Tage auf. Längst nicht alle ehemaligen Profis haben es geschafft, für die Zeit nach ihrer Karriere vorzusorgen.

Norbert Eder, einst eisenharter Verteidiger des FC Bayern München und Vize-Weltmeister 1986, verdient seine Brötchen mit dem Verkauf von Blumen. Thomas Berthold, Weltmeister von 1990, versucht sich als Werbe-Botschafter für Kokosprodukte. Nico „Patsche“ Patschinski (St. Pauli) arbeitet als Paketbote. Nun hat der Düsseldorfer Sportjournalist Thorsten Schaar (40) für sein Twitter-Projekt „@exprofis“ schon über 700 ehemalige Fußballprofis in der „dritten Halbzeit“ ihres Berufslebens aufgespürt.

Schnelle Autos, große Häuser - viele Fußballer verprassten ihr Geld

Schnelle Autos, große Häuser, schöne Frauen: Wer es von Millionen Fußballspielern in Deutschland geschafft hat, Bundesliga-Profi zu werden, lebt den Rest seines Lebens in Saus und Braus. Oder doch nicht? „Die Quote der Ex-Profis, die fünf Jahre nach Karriereende privatinsolvent sind, ist erschreckend hoch“, sagt Schaar. „Die wenigsten Spieler aus den 1980ern haben heute ausgesorgt.“ Bei der aktuellen Spielergeneration sei das schon anders: „Die verdienen deutlich mehr und haben auch bessere Berater.“ Das gelte aber auch nur für die Bundesliga.

Wenn der HSV einen neuen Trainer sucht, macht sich Schaar einen Spaß daraus, die ruhmreichen Hamburger Kicker vergangener Tage ins Gespräch zu bringen. Inzwischen werden seine Recherche-Ergebnisse auch von einigen Vereinen retweetet, also weiterverbreitet.

Schaar hat bei den 700 Ex-Profis Berufetrends ausgemacht: „In den 1970er Jahren war die Lotto-Toto-Annahmestelle der klassische Arbeitsplatz für Ex-Profis, in den 1980er Jahren das Sportgeschäft, in den 2000er Jahren war es der Betrieb einer Soccerhalle; und inzwischen steht der Spielerberater hoch im Kurs. Und Versicherungsmakler geht eigentlich immer.“

Zwar hätten zwei Drittel der aktiven Spieler inzwischen Abi oder Fach-Abi, aber nur jeder vierte am Karriereende eine berufliche Qualifikation, berichtet Ulf Baranowsky von der Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV) in Duisburg. „Die Karriere kann mit dem nächsten Foul beendet sein, trotzdem haben viele keinen Plan B.“ Als Seiteneinsteiger sei es aber eher schwieriger geworden, Fuß zu fassen. Die Spielergewerkschaft VDV vermittelt den Profis inzwischen einen Laufbahn-Coach.

Ex-Torjäger Roland Wohlfarth legte nach der Karriere Estrich

Einen Tipp für die Karriere nach der Karriere hat Schaar auch: „Nicht Trainer werden wollen! Die Posten sind einfach zu rar.“ Bei seinen Recherchen wird häufig sozialer Abstieg greifbar: „Mir geht es aber nicht um Häme.“ So habe er durchaus Respekt für den Ex-Bremer Uli Borowka, der aus seiner Alkohol-Lebensbeichte ein Buch, seine Krise zur Chance und sich zum Fußball-Literaten auf Lesereise gemacht habe.

Andere waren für die Nachspielzeit des Profi-Daseins nicht gerüstet und wurden mit Bauherrenmodellen über den Tisch gezogen. Manche verstecken sich hinter schicken Begriffen wie Sportmarketing, „hinter denen im Einzelfall nicht viel stecken wird“.

Viele haben in bodenständigen Berufen Fuß gefasst, wie Roland Wohlfarth (FC Bayern), der als Bauleiter und Estrichleger im Ruhrgebiet arbeite. Es gebe Kioskbesitzer und Gastronomen, aber auch Lehrer, Zahnärzte und Rechtsanwälte mit Bundesliga-Vergangenheit.

Tom Dooley ist heute Nationaltrainer - auf den Philippinen

Frank Türr (1. FC Nürnberg) ist Polizist geworden und bewacht nun Nürnberger Fußball-Fans. Den neuen Job von Tom Dooley (Bayer Leverkusen) habe er sogar als erster Journalist in Deutschland melden können, sagt Schaar: Nationaltrainer der Philippinen. Der ehemalige Nationalspieler Tobias Rau beendete seine Karriere 2009 und nahm im Wintersemester 2009/10 in Bielefeld ein Lehramtsstudium mit den Fächern Sport, Pädagogik und Chemie auf.

Die Suche nach Ex-Spielern wird manchmal zum Branchensport, so wie die nach Uwe Rahn (Gladbach), Fußballer des Jahres und Torschützenkönig 1987. Der WDR widmete der Recherche unlängst einen ganzen Film („Der verschwundene Fußballer des Jahres“). Da kann Schaar nicht mithalten, er betreibt sein Projekt ehrenamtlich: „Es soll aber bald ein Buch daraus entstehen.“ dpa

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