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Früh gefreut. Celia Okoyino da Mbabi jubelt über ihren Treffer zum 2:0 im WM-Eröffnungsspiel gegen Kanada. Foto: AFP

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Sport: Gastrolle in einem Märchen

Celia Okoyino da Mbabi schoss sich im Sommer auf die Titelseiten. Dann war alles wieder vorbei. Jetzt studiert sie weiter und denkt nicht ungern an die WM zurück.

Für einen Tag im Juni ist Celia Okoyino da Mbabi das prominenteste Gesicht Deutschlands. An ihrem 23. Geburtstag drucken fast alle Zeitungen auf ihren Titelseiten ein Bild vom euphorischen Torjubel der Fußballerin, ihrem Sprint zu den Mitspielerinnen, dem erlösenen Schrei. Okoyino da Mbabi hat im WM-Eröffnungsspiel zum 2:0 gegen Kanada getroffen, „Bild“ erhebt sie zu „unserem WM-Liebling“, zeigt ein Foto von ihrem Freund und fasst zusammen, was die Tochter eines Kameruners und einer Französin ausmacht, „wie sie lebt, wen sie liebt, wovon sie träumt“.

Lange her.

Sechs Monate später hat Celia Okoyino da Mbabi eine große Enttäuschung und drei Verletzungen hinter sich. Was 2011, welches das Jahr des Frauenfußballs werden sollte, für sie bedeutet hat, kann sie selbst noch nicht so genau sagen. Eines war ihr allerdings von vornherein klar. „Keiner hat gedacht: Nach der WM sind wir andere Menschen und leben ein anderes Leben und alles ist super“, sagt sie.

Celia Okoyino da Mbabi ist 2011 kein anderer Mensch geworden, auch wenn Millionen Menschen im Sommer gelernt haben, wie man ihren Namen ausspricht. Im Gespräch wirkt sie nüchtern und entspannt, wie schon vor der WM. Das Ausscheiden der Mannschaften gegen Japan scheint sie verdaut zu haben, auch wenn die ersten Tage nach jenem Viertelfinale in Wolfsburg hart waren. „Es war natürlich schon komisch, dass ich plötzlich zuhause war“, erzählt sie. „Und dass morgens beim Frühstück keine Mannschaftskolleginnen mehr mit am Tisch saßen.“ Ein halbes Jahr lang waren die Spielerinnen beinahe täglich zusammen, in der Vorbereitung auf den fest eingeplanten WM-Titel im eigenen Land wurde nichts dem Zufall überlassen. Auch zwischen den vielen Trainingslagern sei sie immer auf das Turnier konzentriert gewesen, sagt sie. „Wir waren nicht so frei. Deswegen war es nach der WM schön, einfach mal zuhause zu sein und Leute zu sehen, die ich ewig nicht gesehen hatte.“

Die Offensivspielerin steht beim SC Bad Neuenahr 07 unter Vertrag, weit weg von den traditionellen Spitzenteams aus Potsdam, Duisburg und Frankfurt, als einzige Stammspielerin der deutschen WM-Elf. In Koblenz studiert sie parallel zum Fußball weiter Kulturwissenschaften, wie schon vor der WM. „Ich gehe noch ganz normal in die Uni und mache meine Kurse, genau wie alle anderen Studenten“, sagt sie. Einige Dinge haben sich allerdings doch verändert: Es vergeht bis heute fast kein Tag, an dem sie nicht auf der Straße angesprochen wird, meistens freuen sich die Leute einfach, sie zu sehen. „Manchmal wollen sie auch nur wissen, ob ich diese Fußballerin bin, die sie aus dem Fernsehen kennen“, sagt Celia Okoyino da Mbabi. Nicht nur die vier WM-Spiele haben sie bekannt gemacht, als einzige Spielerin hatte sie auch im vor der WM ausgestrahlten Frauenfußball-Tatort eine Sprechrolle. Ihr vom dünnen Drehbuch vorgegebener Satz „Für Fadime holen wir den Weltmeistertitel“ hat seinen Platz im Kuriositätenkabinett des Fußballs längst sicher. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) wollte nicht nur den WM-Titel gewinnen, sondern rund um das Turnier auch gleich noch die Themen Migration/Diskriminierung/Gleichberechtigung ins allgemeine Bewusstsein bringen. Celia Okoyino da Mbabi ist Integrationsbotschafterin des DFB, manchmal hatte man das Gefühl, sie solle mehr sein als eine Fußballerin.

Ihr Vater hat alle Zeitungsausschnitte gesammelt, ihr selbst ist der Rummel während der WM ebenfalls nicht entgangen. „Man kam da ja gar drum herum, natürlich haben wir Zeitung gelesen und ferngesehen und waren im Internet unterwegs“, sagt sie. Als Druck habe sie die vielen Fotos und Geschichten aber nicht empfunden. „Es hatte keine tiefere Bedeutung für mich. Ich wusste: Es kann genauso schnell nach hinten losgehen, wenn ich im nächsten Spiel schlecht spiele oder eine andere das entscheidende Tor schießt.“

Das entscheidende Tor im Viertelfinale schießt nicht Okoyino da Mbabi, sondern die Japanerin Karina Maruyama. Die Schlagzeilen sind nun von Enttäuschung und Häme bestimmt. Ein paar Wochen später beginnt der Alltag in der Bundesliga. Die Stadien sind kleiner, die Mitspielerinnen schlechter. Alles ist nicht nur eine Nummer kleiner, sondern zehn Nummern. „Natürlich ist die Nationalmannschaft von der Professionalität her immer noch eine andere Welt als die Vereine“, sagt Okoyino da Mbabi. Trotzdem ist sie sich sicher, dass die WM Spuren hinterlassen hat. Die Stimmung bei den Spielen sei anders, die Zuschauer seien viel aktiver. „Die WM hat auch bei Firmen Interesse geweckt, ich habe viel mehr Anfragen bekommen. Es gibt jetzt eben Gesichter, die man mit dem Frauenfußball verbindet.“

Kurz nach Saisonbeginn verletzt sich Okoyino da Mbabi am Sprunggelenk, Bad Neuenahr startet schlecht und findet sich ohne die beste Spielerin am Tabellenende wieder. Im Auswärtsspiel bei Meister Turbine Potsdam verletzt sie sich erneut, diesmal reißt kurz nach dem Anpfiff eine Muskelfaser in der Schulter. Eine halbe Stunde lang schleppt sie sich mit schmerzverzerrtem Gesicht über den Rasen, dann lässt sie sich auswechseln. Der Stadionsprecher nennt sie „Okoyono“, zwei Mal. Im November ist sie wieder fit und schießt in der EM-Qualifikation beim 17:0 gegen Kasachstan – vor 6000 Zuschauern in Wiesbaden – vier Tore. Bad Neuenahr gewinnt vier Spiele in Serie, Ende November gelingt ihr das Siegtor gegen den HSV – dann reißt erneut eine Muskelfaser, diesmal im Oberschenkel.

Während der Reha hat sie Zeit, über die Höhen und Tiefen des WM-Jahres nachzudenken, an viele Dinge denkt sie gerne zurück, „die ganzen Erfahrungen, die ich gemacht habe, die Leute, die ich kennen gelernt habe“. Als Jahr des Scheiterns für sich selbst und den Frauenfußball wird Celia Okoyino da Mbabi 2011 auf keinen Fall im Gedächtnis behalten: „Es wäre schon arm, sich nur über das Aus zu definieren.“

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