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Sport: Gedopt am Schießstand

Die Biathletin Olga Pylewa verliert ihr Silber an die Deutsche Martina Glagow

Olga Pylewa hatte schon etwas Misstrauen erregt. Selten hatte die 30-jährige Russin dort trainiert, wo auch die anderen Biathletinnen waren, meistens blieb sie allein. Zu den Wettkämpfen tauchte sie dann plötzlich auf, holte den WM-Titel, war im Weltcup erfolgreich und gewann vor vier Jahren beim olympischen Verfolgungsrennen in Salt Lake City Gold. Auch in Turin stand die Biathletin auf dem Podest. Über 15 Kilometer gewann Pylewa am Montag Silber – aber jetzt muss sie ihre Medaille zurückgeben. Denn seit gestern haben diese Spiele ihren ersten Dopingfall: Pylewa wurde in der A- und der B-Probe die Einnahme des verbotenen, stimulierenden Mittels Carphedon nachgewiesen. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) disqualifizierte sie nach einer Anhörung. Die Silbermedaille erhält nun die bisher drittplatzierte Martina Glagow.

Wegen der Einnahme von Carphedon war bereits der Radfahrer Danilo Hondo für zwei Jahre gesperrt worden, dieselbe Strafe sieht die Internationale Biathlon-Union vor. Zwei Jahre Sperre für die Russin – für ihre deutsche Konkurrentin Uschi Disl viel zu wenig. „Wenn das stimmt, sollte sie lebenslänglich gesperrt werden“, forderte die Bayerin, die am Donnerstag im Sprintrennen auf Rang 34 gekommen war (siehe auch nebenstehenden Bericht). Gold gewann völlig überraschend die Französin Florence Baverel-Robert mit Startnummer 46. Zum Dopingfall Pylewa sagte sie wenig. „Ich habe davon gehört, aber ich will nicht so viel daran denken.“ Sie wollte jetzt feiern, nicht analysieren. Eines aber sagte sie doch dann noch: „Das ist sehr schade, und das tut unserem Sport nicht gut.“ Martina Glagow war dagegen völlig schockiert: „Mir wär’s lieber gewesen, wenn alles so geblieben wäre.“

In der Anhörung vor der Disziplinarkommission des IOC sagte Pylewa, sie habe wegen einer Fußverletzung Tabletten von ihrer Privatärztin erhalten und diese dann eingenommen. Die Russin hatte vor dem Weltcuprennen am 13. Januar in Ruhpolding den Fuß beim Joggen umgeknickt und musste auf einen Start verzichten. Allerdings konnte sie schon am 19. Januar in Antholz wieder antreten. „Es ist eine schockierende Situation, weil ich immer gegen die Einnahme von verbotenen Mitteln war“, sagte Olga Pylewa. „Nikolai Durmanow, der Leiter der russischen Anti-Doping-Kommission, sagte: „Das war hundertprozentig der Fehler der Ärztin. Olga hat gedacht, es seien Vitamine gewesen. Es ist ein Unfall.“

Ihre Konkurrentin Glagow hat jetzt aber auch ein Problem. Sie will „auf diese Art keine Silbermedaille gewinnen“. Und sie sagte: „Ich mag meine Bronzemedaille eigentlich gar nicht hergeben.“ Ihre Teamkollegin Kati Wilhelm hatte dagegen fast noch Mitgefühl mit Pylewa. „Ich mag sie, sie ist immer freundlich“, sagte die 29-Jährige aus Steinbach-Hallenberg. „Hoffentlich hat sie nur eine Medizin genommen.“ Eine erlaubte Medizin natürlich, sagte Wilhelm noch.

Aber die Fakten lauten anders. Bei Pylewa wurde Carphedon gefunden, das Nachfolgemittel des Wirkstoffs Bromantan. Das Mittel war in den Neunzigerjahren in Russland zu Militärzwecken entwickelt worden. Es hilft, den Körper leistungsfähiger und widerstandsfähiger gegen Kälte zu machen. Zumindest der zweite Aspekt hätte der Russin, die am Donnerstag kurz vor dem Rennen von der Startliste gestrichen worden war, gestern allerdings nicht geholfen: Den Schneeflocken am Morgen folgte Tauwetter – und es war alles andere als kalt in San Sicario.

Ein eisiger Wind weht ab sofort allerdings den Biathleten entgegen. „Die Dopingproben sind erschreckend für den Biathlon-Sport. Denn jetzt heißt es wieder: Die sind alle gedopt“, sagte Disl. Und ihre Mannschaftskollegin Katrin Apel, gestern 22., erklärte: „Ich bin einfach schockiert. Das wirft einen Schatten auf die ganze Sportart.“

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