zum Hauptinhalt

Sport: Gefährliches Spiel

Das Auswärtige Amt warnt vor Reisen nach Pakistan – die deutsche Hockey-Nationalmannschaft fährt trotzdem hin

Berlin - Sebastian Draguhn hat bisher das unaufgeregte Leben eines Hockey- Bundesligaspielers geführt. Zu den Ligaspielen seines Klubs Schwarz-Weiß Neuss kommen in der Regel ein paar hundert Zuschauer. Jetzt aber hat der 20 Jahre alte Stürmer die Aussicht gehabt, mit der deutschen Nationalmannschaft vor 70 000 Menschen im größten Hockeystadion der Welt zu spielen: in Pakistan, wo die Menschen vollkommen hockeyverrückt sind. Am 4. Dezember bestreitet der Weltmeister aus Deutschland in Lahore das Eröffnungsspiel der Champions Trophy gegen den Gastgeber. „Es gibt nichts Besseres, als in Pakistan vor 70 000 Leuten zu spielen“, sagt Draguhn. „Eigentlich war das immer mein Traum.“ Trotzdem hat er auf eine mögliche Teilnahme an der Champions Trophy verzichtet.

Sein älterer Bruder Thomas war vor einigen Jahren mit der Nationalmannschaft in Pakistan und hat ihm von seinen Erfahrungen berichtet. Daraufhin hat Draguhn „intensiv verfolgt, was in der Region los ist“. Anfang Oktober starben in Sialkot in einer schiitischen Moschee 31 Menschen durch ein Selbstmordattentat. Sialkot ist ein Weltzentrum für die Produktion von Hockeyschlägern. Als es kurz darauf einen weiteren Anschlag auf eine Moschee mit 39 Toten gab, „war mir das alles zu viel“, sagt Draguhn. Er informierte Bundestrainer Bernhard Peters von seinem Verzicht. Der habe „absolutes Verständnis dafür“ gehabt.

Das Auswärtige Amt berichtet auf seiner Internetseite, dass westliche Ausländer in ganz Pakistan gefährdet sind: „Landesweit nimmt die Gefährdung durch politisch-religiöse Gewalttaten und Straßenkriminalität zu“, heißt es. „Terroristische Anschläge und gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen religiösen Gruppen (Sunniten und Schiiten) sind nicht auszuschließen.“ Die deutsche Hockey-Nationalmannschaft reist trotzdem Ende November nach Pakistan. Das Auswärtige Amt hat eine Teilnahme aus politischen Gründen sogar empfohlen. „In letzter Konsequenz kann ich das nicht nachvollziehen“, sagt Bernhard Peters.

Der Bundestrainer selbst war bereits mehrere Male in Pakistan. Er hat sich intensiv mit der politischen Situation des Landes beschäftigt, kennt die Zustände auf den Straßen, vor allem die unglaubliche Armut der Menschen. Lahore liegt im Nordosten Pakistans an der Grenze zu Indien, rund hundert Kilometer von der Krisenregion Kaschmir entfernt. „Die Situation dort hat sich ein bisschen entspannt“, sagt Peters. „Oberflächlich.“

Schon vor drei Jahren sollte die Champions Trophy in Lahore ausgespielt werden. Nach den Anschlägen vom 11. September in New York wurde das Turnier wegen des drohenden Krieges in Afghanistan jedoch nach Rotterdam verlegt. Die Veranstalter, so sagt Peters, hätten nun ein umfassendes Sicherheitskonzept erstellt. Für die Nationalspieler wird das bedeuten, dass sie sich zwei Wochen lang fast ausschließlich in ihrem Hotelkomplex bewegen müssen. „Eigentlich ist das eine Zumutung“, sagt der Bundestrainer.

Die Australier haben die Teilnahme an der Champions Trophy bereits vor einigen Wochen abgesagt – auf Empfehlung ihres Außenministeriums. Auch im Deutschen Hockey-Bund (DHB) soll es innerhalb des Präsidiums verschiedene Meinungen gegeben haben. „Ich weiß nicht, was da schönzureden ist“, sagt Sebastian Draguhn. Außer ihm haben noch drei andere deutsche Nationalspieler aus Sicherheitsgründen auf eine Teilnahme verzichtet. Bernhard Peters „konnte und wollte sie nicht überreden“. Vielmehr hat er sich über den „nicht nachzuvollziehenden Druck des Weltverbandes“ geärgert, der dem DHB mit einem Ausschluss von den nächsten beiden Champions Trophys gedroht hatte.

Für die jungen deutschen Nationalspieler wird das Turnier in Pakistan durch die öffentliche Begeisterung in jedem Fall eine außergewöhnliche Erfahrung sein. „Das ganze öffentliche Leben ist während des Turniers auf diese Champions Trophy ausgerichtet“, sagt Bundestrainer Peters. „Für die Menschen ist das ein Fest.“ Doch gerade das ist es, was Sebastian Draguhn beunruhigt: „Weil das einfach ein gutes Ziel für einen Anschlag abgeben würde.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false