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Sport: Gefestigter Aufschwung

Der VfB Stuttgart will nach dem Sieg über Glasgow jetzt auch in der Bundesliga richtig angreifen

Der Mensch, so sagt die Wissenschaft, suche selbst in ausweglosen Situationen nach positiven Aspekten. Es muss schließlich weiter gehen im Leben. Diesen Schutzmechanismus gibt es auch im Fußball. Und so konnten 51000 Zuschauer im Gottlieb-Daimler-Stadion eine Mannschaft sehen, die zwar zuvor über ihre Enttäuschung gesprochen hatte, diese aber flugs verdrängte, indem sie feierte und den Blick hoffnungsfroh nach vorne richtete. „Jetzt geht es darum, in der Bundesliga weiter Boden gut zu machen. Vielleicht sind wir nächstes Jahr in der Champions League wieder dabei“, orakelte Pavel Pardo, der eines der drei Tore beim 3:2-Erfolg des VfB Stuttgart über die Glasgow Rangers beigesteuert hatte.

Es ging ausgesprochen fröhlich zu am Neckar. Manche Geste erinnerte sogar an Bilder aus dem vergangenen Mai, als ganz Stuttgart die deutsche Meisterschaft feierte. Unten lief die gesamte Mannschaft in gemütlichem Tempo eine Ehrenrunde auf der Laufbahn. Man nahm sich Zeit, um zu genießen und zu vergessen. Die Spieler tanzten vor ihren treuen Fans und winkten immer wieder ins Publikum. Es sei „um Ehre und Moral gegangen“, sagte der Mexikaner Pardo mit viel Pathos in der Stimme.

Die überbordende Freude im Schwäbischen hat ihre Gründe – nachvollziehbare. Man hatte mit Glasgow kein internationales Fußballschwergewicht ins Wanken gebracht, sondern eine eher durchschnittliche Mannschaft besiegt. Aber es war eben der erste Sieg des VfB in der Champions League, der als Schlusspunkt einer Negativserie stand und gleichzeitig den Bewies lieferte, dass der deutsche Titelträger auf der großen Bühne des Europapokals am Ende nicht völlig zum Gespött wurde. „Ich bin froh, dass wir für die Uefa-Wertung Punkte geholt haben und den Leuten gezeigt haben, was in diesem Jahr möglich gewesen wäre“, sagte Stuttgarts Manager Horst Heldt.

Manche Siege wie der gegen Glasgow geraten aus der Sicht der Stuttgarter bedeutungsschwer. So etwa auch der Erfolg in der Bundesliga über Bayern München, der dem VfB mehr brachte als drei Punkte und das übliche Selbstvertrauen, nämlich die Gewissheit, „wir haben wieder Qualität auf dem Platz und können mithalten“ (Trainer Veh). Vier Niederlagen hatte es zuvor in der Champions League gegeben. Was dazu führte, dass die Stuttgarter weder eine theoretische Chance auf das Achtelfinale gehabt hätten noch darauf, wenigstens in den Uefa-Cup einzuziehen. Die Partie gegen Glasgow brachte neben dem ersten Sieg die angenehme Einschätzung, die ganz große Blamage verhindert zu haben. Oft ähnelten sich in der Nachbetrachtung die Formulierungen der Erleichterten. „Ich bin froh, dass wir nicht mit Null aus der Champions League gehen“, sagte Roberto Hilbert. Als angenehmer Begleitumstand wurde deutlich, wie gefestigt der in der Liga vorgeführte Aufschwung ist, der mittlerweile als Serie wahrgenommen wird.

Gegen Glasgow gelang der fünfte Sieg in Folge. Dabei galt es für die Stuttgarter, gleich zweimal in dieser Begegnung die Motivation zu finden, einen Rückschlag wegzustecken. Zuerst das 0:1 durch Charles Adam, dann das 2:2 durch Barry Ferguson. Aber Cacau, Pardo und Ciprian Marica sicherten den Erfolg, der am Ende auch Schattenseiten offenbarte. Andreas Beck musste mit einem Innenbandabriss im rechten Knie vom Platz und fällt sechs Wochen aus. Zudem scheint die „Verletzung“ von Torjäger Mario Gomez hartnäckig zu sein. Der 22 Jahre alte „Fußballer des Jahres“ leidet an einer Rippenfellentzündung und wird wohl am Samstag gegen Borussia Dortmund nicht zum Einsatz kommen.

„Wir waren den Fans und uns selbst etwas schuldig“, sagte schließlich Stuttgarts Trainer Armin Veh. Er redete an dem Abend nicht mehr darüber, wie sehr er sich über die vielen vergebenen Chancen in der Champions League ärgerte, „weil wir wegen der vielen Ausfälle zuvor nie wettbewerbsfähig“ waren. Jetzt gehe es um die Bundesliga, „da können wir mit weiteren Siegen angreifen, wo auch immer“. Und so „wirkungslos" dieser Erfolg über Glasgow in der Endabrechnung der Gruppe E sein mag, für den VfB hatte er hohe Bedeutung.

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