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Sport: Gefragter Schweiger

Wie Kimi Räikkönen unter der Misserfolgsserie bei McLaren-Mercedes leidet

Als der amerikanische Golfstar Tiger Woods einmal gefragt wurde, warum gerade das Tauchen sein Hobby sei, hat er geantwortet: „Die Fische wissen nicht, wer ich bin.“

Einmal ganz für sich sein, nicht auf Schritt und Tritt unter Beobachtung zu stehen, danach sehnt sich auch ein 24 Jahre junger Finne, obwohl er längst nicht so viele Erfolge vorzuweisen hat wie Woods – Kimi Räikkönen. Aber wer wie er in der Formel 1 als Star gilt und extrem öffentlichkeitsscheu ist, der taucht am liebsten unter. In dieser Saison mag der Weltmeisterschaftszweite des Vorjahres erst recht nicht reden – Folge der Misserfolge seines Teams McLaren-Mercedes. Gerade einen WM-Punkt hat Räikkönen in sechs Rennen geholt. So zieht sich der finnische Schweiger nach seinen Rennauftritten am liebsten sofort zurück in sein Schweizer Domizil am Zürichsee. „Es ist dort sehr entspannt“, sagt Räikkönen – und Entspannung braucht er in diesen Tagen dringend.

An diesem Wochenende ist es mit der Ruhe wieder vorbei. Räikkönen und sein Teamkollege David Coulthard müssen beim Großen Preis von Europa auf dem Nürburgring mal wieder erklären, warum es nicht läuft. Nach dem erneuten Doppelausfall vor sieben Tagen beim Großen Preis von Monaco ist McLaren-Mercedes in der Teamwertung sogar hinter das Formel-1-Leichtgewicht Sauber zurückgefallen. Am wenigsten dafür können Kimi Räikkönen und David Coulthard. Aber die Fragen nach dem Warum werden ihnen gnadenlos gestellt. Noch stehen die Piloten loyal zu ihrem Arbeitgeber: „Wir hoffen auf Besserung, alle arbeiten dafür hart“, sagt Räikkönen. Für die etwas klareren Aussagen ist der Teamchef zuständig. „Wir haben derzeit Defizite in schnellen Kurven und in der Harmonie des Gesamtpakets. Und vor allem in der Zuverlässigkeit“, hat Norbert Haug der „Financial Times“ gesagt. Und auch das: „Wir wollen im kommenden Jahr um die Weltmeisterschaft fahren.“

Das Glück für Mercedes in dieser das Image schädigenden Situation ist, dass BMW, ein Hauptkontrahent auf dem Fahrzeugmarkt, ebenfalls in Schwierigkeiten steckt. Wäre BMW derzeit in der Formel 1 ein Siegerteam, sähe für die Stuttgarter alles noch viel schlimmer aus. Doch auch geteiltes Leid schmerzt, erst recht beim Gastspiel in Deutschland. An eine Wende zum Guten auf dem Nürburgring glauben selbst Optimisten bei McLaren-Mercedes wie Teammanager Martin Whitmarsh nicht, obwohl die Michelin-Bereifung auf dem Kurs in der Eifel besser funktioniert. Für den ersten Heim-Grand-Prix in dieser Saison bleibt die blamable Prognose. „Mit diesem Auto kann es wirklich nur besser werden“, sagt David Coulthard.

Schon in der vergangenen Saison hatte Teamchef Haug mit einem neuen Auto einen „Quantensprung“ in Aussicht gestellt. Auch in diesem Jahr hofft man bei McLaren-Mercedes auf die durchschlagende Wirkung eines neuen Boliden. Von der kommenden Woche an wird im britischen Silverstone ein neuer Silberpfeil getestet. Dennoch glaubt keiner so recht an den Erfolg dieses Interimsautos und an das Ende der Zerstrittenheit im deutsch-englischen Team, in dem laut Motorenbauer Mario Illien „zu viele Köche den Brei verderben“. In der vergangenen Saison hatte der Einbau einiger Teile des neuen Autos in den bis dahin erfolglosen Rennwagen wenigstens noch dazu geführt, dass aus Räikkönen zum Ende der Saison plötzlich wieder ein heißer Titelanwärter geworden ist. Danach sieht es in dieser Saison nicht aus. Und so ist ein Ende der Leidenszeit für den Finnen nicht absehbar. In der Schweiz spricht ihn wenigstens niemand auf seine Aussage an, die er vor Saisonbeginn einmal formuliert hatte: „2003 wurde ich Zweiter, und ich glaube, ich kann mich in diesem Jahr noch steigern.“

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