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Harmonie beim Reiten. Laura Bechtolsheimer und ihr Pferd Mistral Hojris stehen für pferdegerechten Spitzensport. Am Samstag kamen sie beim Chio in Aachen nur auf Rang vier. Foto: dpa

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Sport: Gefühl gegen Geld

Die Britin Laura Bechtolsheimer fordert Matthias Rath und das Wunderpferd Totilas heraus – mit pferdegerechtem Spitzensport

Das wird ein Zweikampf. Die Gegner heißen: Matthias Rath und Laura Bechtolsheimer. Auf der einen Seite der neue Reiter des Wunderpferdes Totilas, auf der anderen Seite die Britin mit deutschen Wurzeln. Beide treffen zurzeit in Aachen zum zweiten Mal aufeinander. Eine erste Begegnung gab es in Wiesbaden. Da stand bei zwei Prüfungen einmal der eine, mal die andere vorn. Die Große Tour der Dressurreiter beim Chio in Aachen besteht nun aus drei Prüfungen. Ergebnis des ersten Tages: Rath gewinnt vor Bechtolsheimer. Das Ergebnis des zweiten Tages: Rath siegt, Bechtolsheimer wird Vierte. Ihr Pferd ist nervös, verreitet sich, muss noch einmal neu ansetzen. Am Sonntag folgt nun die Kür, die zugleich der große Dressurpreis von Aachen ist.

Die beiden 26-jährigen stehen nicht nur für die neue Generation an der Dressurspitze. Sondern auch für verschiedene Herangehensweisen. Hier reitet Matthias Rath mit dem für Deutschland hinzu gekauften Wunderpferd. Dort tritt die Britin Laura Bechtolsheimer mit ihrem selbst ausgebildeten Pferd an. Wer ist diese Britin, die das Zeug zu haben scheint, Totilas zu besiegen?

Laura Bechtolsheimer wurde in Mainz geboren. Die Eltern zogen nach Großbritannien, als sie ein Kleinkind war. Nun führt sie einen Stall in Glouchestershire zwei Stunden nördlich von London. Hier sieht England so idyllisch aus, wie Touristen es erwarten: hügelige Wiesenlandschaften, Steinmauern, Cottage-Häuser. Trainiert wird sie von ihrem Vater Wilfried Bechtolsheimer, der schon den Engländer Carl Hester an die Weltspitze coachte. Ein, zwei Mal im Monat schaut Klaus Balkenhol, der ehemalige US-Equipechef und mehrmalige Olympiateilnehmer, bei ihr vorbei und trainiert sie und ihren Mistral Hojris, der im Stall „Alf“ heißt. „Mein Ziel ist es, zu beweisen, dass man ein Pferd klassisch, harmonisch und gefühlvoll trainieren kann und damit an der Weltspitze reiten kann“, sagt Laura Bechtolsheimer.

Das ist ihre Besonderheit: Sie gehört zu einer kleinen Gruppe von Spitzenreitern, deren Ritte sich auch Kritiker des modernen Dressursports gern anschauen. Positiv-Beispiele für pferdegerechten Spitzensport sind neben Laura Bechtolsheimer auch Nathalie zu Sayn Wittgenstein, die für Dänemark startet, Steffen Peters, der für die USA unterwegs ist, oder Anabel Balkenhol, die zum deutschen Team gehört, jedoch wegen der Schwäche ihres Pferdes nicht starten konnte. Diese Reiter haben einen gemeinsamen Nenner: Trainer ist Klaus Balkenhol, der mit seinem Verein „Xenophon“ für das pferdegerechte Reiten nach klassischen Grundsätzen wirbt.

Wer will, kann das Dressurlager in zwei Ebenen teilen: in klassische und effektheischende Reiterei. „Unklassisch bedeutet für mich, grob zu reiten. Man kann ein Pferd vielleicht dazu bringen, die Beine hochzureißen, damit es spektakulärer geht“, erklärt Laura Bechtolsheimer. „Aber das stört die Harmonie.“ Für Reiter, die sich dem Effekt verschrieben haben, stehen Ausdruck und Show ganz vorn. Das geht meist einher mit Ruppigkeit dem Pferd gegenüber – die berüchtigte Rollkur ist nur eine Möglichkeit, Gewalt gegen das Pferd auszuüben. Solche Beispiele finden sich nationenübergreifend – auch wenn die Aktiven sehr vorsichtig auf den öffentlich zugänglichen Abreiteplätzen geworden sind.

Ein Beispiel für Nicht-Klassisches ist Totilas, der Meister der Imposanz. Kein anderes Pferd hat so viel Ausstrahlung. Doch wer ein bisschen genauer hinschaut, sieht, dass dieses Pferd zwar vorn mit großen Tritten daherkommt, mit den Hinterbeinen aber lange nicht so locker und raumgreifend nach vorne tritt wie es eigentlich sein sollte. Das gilt als nicht klassisch korrekt. Aus gutem Grund: Nur wenn die Hinterhand aktiv ist, Gewicht aufnimmt, ist das Pferd fähig, schwerste Lektionen mit Reitergewicht zu zeigen, o hne selbst langfristig Schaden zu nehmen.

Ob Dänemark, Schweden, Niederlande oder Deutschland – in jeder Nation finden sich Reiter, die eher spektakulär reiten. Belohnt wird diese Reiterei durch die Punktrichter und das System der Notenvergabe, das einzelne Lektionen bevorzugt. Doch Erfolg ist kein Maßstab für gutes Reiten: Wer sich die Weltrangliste der Dressur anschaut, wird unter den ersten zehn Reitern beide Anschauungen finden. Sportler, die fein reiten, mit Geduld Pferde ausbilden. Und ruppige Reiter, von denen Videos im Internet kursieren, die man nie gesehen haben möchte.

Das zweite Lager sind diejenigen, die sich der klassischen Pferdeausbildung verschrieben haben. Im Zentrum steht die Grundidee des Dressurreitens: dass sie das Pferd gymnastiziert, es schöner macht und zu seiner Gesunderhaltung beiträgt. Für diese Ziele wirbt etwa der Verein „Xenophon“, dem Klaus Balkenhol vorsitzt. Der Verein stellt das Wohlergehen des Pferdes in den Vordergrund und beruft sich auf klassische Reitmeister – wie Xenophon, der um 375 v. Chr. die Schrift „Über die Reitkunst“ verfasste. Es gibt neben „Xenophon“ noch weitere, weniger prominente Vereinigungen wie die Aktion „Fair zum Pferd“.

Das Motto der deutschen Dressurreiter ist: Gold zurückholen. Zwei Jahre lang bekamen das die Niederländer. Nun hat das deutsche Team deren Trumpf in der Hand – Totilas. Doch wie wäre es, den Wettkampf globaler zu sehen? Totilas schenkt dem Dressursport die Aufmerksamkeit des Volkes. Nun sollte mal wieder ein Reiter zeigen, wie erfolgreich pferdefreundliches Reiten sein kann.

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