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Sport: Gefühle zwischen Besinnung und Rausch

Alba Berlins Basketballer wollten in Tel Aviv vergeblich mit dem Kopf durch die Wand VON DIETMAR WENCK Tel Aviv. Die Atmosphäre war eine ganz besondere in den letzten Minuten vor dem Spiel.

Alba Berlins Basketballer wollten in Tel Aviv vergeblich mit dem Kopf durch die Wand VON DIETMAR WENCK

Tel Aviv. Die Atmosphäre war eine ganz besondere in den letzten Minuten vor dem Spiel.In Gedenken an die 73 Toten des Hubschrauberunglücks wenige Tage zuvor schwiegen die 10.000 Zuschauer im schon seit Wochen ausverkauften Sportpalast "Yad Eliahu"; anschließend sang ein großer Teil die Nationalhymne mit.Die Basketballmannschaft Maccabi Tel Aviv trug einen Trauerflor.Seit Tagen berichteten die Zeitungen, Radio- und Fernsehsender fast ausschließlich über die nationale Katastrophe.Aber so still die Fans im Moment der Besinnung waren, so euphorisch unterstützten sie anschließend ihr Team im Europaliga-Zwischenrundenspiel gegen Alba Berlin.Die Zuschauer trieben es förmlich zum 78:62 (37:26)-Sieg.Maccabi Tel Aviv spielte phasenweise wie in einem Rausch. Ob die äußeren Umstände ihren Teil daran hatten, sei einmal dahingestellt, aber Alba ging in dieser aufgewühlten Atmosphäre unter.Wurde von Beginn an überrumpelt und erholte sich nie wirklich von dem frühen 3:12-Rückstand."Wir konnten dieses Spiel praktisch nicht gewinnen", erkannte Trainer Svetislav Pesic."Zwicki" habe ihm gesagt, dies sei das beste Heimspiel seiner Mannschaft in dieser Saison gewesen."Zwicki" ist Pesics Kollege Zvi Sherf, mit dem er sich nach dem 70:65-Hinspielsieg in der Max-Schmeling-Halle noch fast in die Haare geraten war. Diesmal gab es kaum unterschiedliche Meinungen über das Spiel.Tel Aviv gewann völlig verdient, auch in dieser Höhe."Sie haben in der Verteidigung sehr hart und sehr gut gespielt und vorn alles getroffen", sagte Pesic."Und wir haben es nicht gemacht." Besonders bitter war das Trefferverhältnis bei den Drei-Punkte-Würfen.Maccabi traf neun von 13, Alba nur drei von 13.Auch wenn es sich nach einer Milchmädchenrechnung anhört: Das sind 18 Punkte Differenz, die Alba schließlich fehlten. Den Berlinern fehlte aber noch etwas mehr als dies.Besonders die Ruhe, irgendwann zum eigenen Spiel zu finden.Maccabi war im Hinspiel ähnlich früh ähnlich hoch in Rückstand geraten, hatte aber Punkt für Punkt aufgeholt und das Resultat bis zum Schluß offengehalten.Alba hingegen kam zwar nach der Pause auch bis auf sieben Zähler heran, doch als kontrollierte Aktionen gefragt waren, wurden die Chancen unkonzentriert vergeben.Mal ein viel zu riskanter Bodenpaß Henrik Rödls, mal ein Offensivfoul - zu oft mit dem Kopf durch die Wand, wo ein Schleichen durch die Hintertür gefragt gewesen wäre.Die "einfachen Punkte" unter dem Korb von Henning Harnisch und des leicht erkrankten Sascha Hupmann fehlten völlig.Beide spielten am Donnerstag abend schwach. Aber das schlimmste waren 19 Ballverluste - nicht wettzumachen gegen einen Konkurrenten wie diesen an einem Abend wie diesem.Mit einem Randy White, der die Berliner fast verzweifeln ließ.Der schwergewichtige, dabei aber sehr wendige Amerikaner machte, was er wollte, wie er es wollte.Ob aus der Distanz oder unter dem Korb: Der 30jährige, aus der spanischen Liga (Badalona) nach Israel gekommen, war Herrscher auf dem Parkett.Kein Berliner trat ihm entschlossen genug entgegen.Obwohl White selbst in der Verteidigung recht grob hantierte, brauchte er auf der anderen Seite nicht einmal an die Freiwurflinie zu treten.Seine Punkte sammelte er oft unbedrängt. Nun wird die Luft für Alba Berlin noch einmal dünn beim Versuch, ins Europaliga-Achtelfinale einzuziehen, vor allem, weil Olympiakos Piräus siegt und siegt, nun sogar in Moskau.Die Russen ihrerseits treten nächsten Donnerstag in Berlin an; gewinnen sie, wird die Aufgabe für Pesics Team immer schwerer."Wir haben noch zwei Spiele und müssen eines davon gewinnen.Wir werden alles daransetzen, dies schon in Berlin zu tun", meinte Albas Manager Marco Baldi.Wie gut, daß zu Beginn der Zwischenrunde zweimal (gegen Maccabi, in Moskau) gewonnen wurde.Die Berliner haben es selbst in der Hand.Und die Atmosphäre, vermuten wir mal, wird am Donnerstag gegen ZSKA auch eine besondere sein.

DIETMAR WENCK

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