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Sport: Gefühlte Qualität

Bei der heute beginnenden Handball-WM sieht sich das deutsche Frauenteam als Medaillenkandidat

Dortmund - Ein beängstigender Cut unter dem rechten Auge verzierte in den vergangenen Tagen das Gesicht von Anja Loerper. Er ist ein Andenken aus dem letzten Vorbereitungsspiel gegen Slowenien, aber die 21-jährige Handballerin von Bayer Leverkusen ignorierte diesen Schönheitsfleck, der ihre Vorfreude schon gar nicht bremsen konnte. „Das ist ja meine erste Weltmeisterschaft“, sagt sie, „ich kann es kaum erwarten“. Ihre Kolleginnen aus der Nationalmannschaft reden ähnlich euphorisch von der heute in St. Petersburg beginnenden WM.

Schon im Auftaktspiel gegen Angstgegner Polen (17 Uhr/live bei Eurosport) steht das Team von Bundestrainer Armin Emrich in der Vorrundengruppe C vor einer harten Bewährungsprobe. An diesem Gegner war es in der Qualifikation gescheitert. Erst durch den Rückzug von Taiwan und die Sperre von Kasachstan, das bei der WM 2003 zu kurzfristig zurückgezogen hatte, kam der EM-Fünfte unverhofft doch noch zur WM-Teilnahme. Die weiteren Kontrahenten auf dem Weg in die Hauptrunde und den dafür erforderlichen Platz drei sind Österreich (6. Dezember), Olympiasieger Dänemark (7. Dezember), Brasilien (9. Dezember) und die Elfenbeinküste (10. Dezember). Alle Spiele werden live bei Eurosport gezeigt.

„Wir können um eine Medaille spielen, wenn wir uns die Kräfte richtig einteilen“, sagt Grit Jurack, die mit 196 Länderspielen erfahrenste Frau im deutschen Dress. Jurack spielt in Dänemark, beim Spitzenklub Viborg, und sie hat dort, wo Frauenhandball sehr populär ist, gar seltsame Dinge vernommen: Viele wetten auf Deutschland.

Nach der unerwarteten Qualifikation spielt die Mannschaft befreit auf wie lange nicht mehr, sie absolvierte die beste Vorbereitung seit Jahren. In zehn Spielen verlor sie nur einmal. Die Spielerinnen fühlen sich zu Höherem berufen. „Wir haben das Ziel, Frauenhandball wieder an die Spitze zu führen“, sagt Kreisläuferin Anja Althaus aus Trier. Das Selbstbewusstsein speist sich vor allem aus einem neuen Teamverständnis. Noch nie, sagt Jurack, habe sie vor Turnieren eine derartige Harmonie innerhalb der stark verjüngten Mannschaft erlebt. „Jeder wird gleich behandelt, egal ob Küken oder Erfahrene“, erklärt Loerper.

Allein Emrich scheint dieser jugendliche Überschwang nicht ganz geheuer. Die Mannschaft sei zwar „sehr stabil in der Abwehr“, findet er, und sie „glaubt an den Weg, den wir eingeschlagen haben, selbst dann, wenn es stressig wird“. Über die Medaillenambitionen der Spielerinnen sagt er: „Find’ ich gut.“ Sein Motto bleibt dennoch: „Wir rechnen mit dem Allerschlimmsten und hoffen auf das Allerbeste.“

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