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Sport: Gefühlter Klassenerhalt

Hertha BSC hat eine turbulente Vorbereitung hinter sich – vor den wichtigen Spielen gegen den Abstieg wirkt selbst Trainer Hans Meyer mitgenommen

Berlin. Jetzt bekommt erst mal der Eingangsbereich der Geschäftsstelle von Hertha BSC ein neues Gesicht. Dazu reichen ein paar verchromte Bleche, eine Leiter, eine Bohrmaschine und ein Akkuschrauber. „Fertig is’ der Lack“, sagt einer der beiden Monteure. Könnte das bloß auch Hans Meyer von sich behaupten. Der neue Trainer von Hertha BSC muss eine neue Mannschaft basteln, eine, die wieder Spiele gewinnt, eine, die sich erfolgreich gegen den Abstieg stemmt. Viel Zeit hat er dafür nicht mehr. Am Samstag beginnt beim Tabellenführer in Bremen das Unterfangen Klassenerhalt. Aussichtslos ist es nicht, aber heikel allemal.

Hans Meyer hat es sich im Medienraum bequem gemacht. Manager Dieter Hoeneß spricht ein paar einleitende Worte, dann legt Meyer los. „Unsere Lage ist geprägt von den 13 Punkten aus der Hinrunde“, sagt der 61-jährige Fußballpädagoge, der als Retter geholt worden war. Retter? Meyer lehnt sich zurück. Einen Augenblick lang wirkt er so, als glaube er selbst nicht daran. Retter kann man kaufen. Ist aber auch Rettung käuflich? Vier, fünf Mannschaften würden sich seiner Ansicht nach um den rettenden 15. Tabellenplatz streiten. „Für uns zählen jetzt nur noch Resultate“, sagt Meyer. Bremen und dann Stuttgart sind dicke Brocken, „aber wir können das Punkten nicht verschieben“.

72 Stunden vor Beginn der Bundesliga- Rückrunde wiederholt Meyer das, was er schon zu Beginn seiner Tage in Berlin gesagt hatte – die Zeit sei eng bemessen. Vier Wochen hatte er, eine Mannschaft umzukrempeln, die bis Weihnachten noch wie ein sicher Absteiger spielte. Er konnte keine Personen austauschen, sondern musste die Psyche drehen. Er musste herausfinden, „mit wem ja und mit wem nicht“, wie Meyer sagt. Die Mischung macht es. Aber welche Mischung ist die richtige? Mehr erfahrene Spieler nehmen oder doch lieber auf die jungen Talente setzten? „Aber welche Erfahrungen haben die erfahrenen Spieler mit dem Abstiegskampf?“, fragt Meyer. Er nimmt seine Lesebrille ab und gibt die Antwort selbst: „Keine.“ Soll er also doch die jungen Männer bringen, die 20- und 21-Jährigen. „Ja, die haben Potenzial, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie unter dem Druck weiterhin so frei und unbeschwert spielen können.“ Hoeneß hört interessiert zu. Mal hebt er seine Brauen, mal feixt er, mal nickt er mit dem Kopf.

Die vergangenen Tage waren noch einmal turbulent. Zuletzt erlitt Rehmer einen Migräneanfall. „Er wird aber spielen“, sagt Meyer, wenn er nicht mehr „befallen“ werde. Und dann hatte sich Luizao wieder verletzt, dem neben Dardai die erste Hälfte der Vorbereitung fehlte. Deswegen wird Bobic „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ (Meyer) spielen, um den es Ärger gab, weil Meyer den Nationalstürmer nicht auf der Liste hatte. „Es lief nicht alles glatt“, sagt Meyer und untertreibt. Der Kader gibt keine Alternativen her. Also darf/muss Bobic wieder ran.

Das Thema Bobic ist immer noch hitzig. Auch diesmal redet Meyer sich in Form. „Es gab hier nie ein Bobic-Meyer-Problem“, sagt er und schüttet sich dabei den Kaffee über die Trainingshose. Die vier Wochen haben Meyer mitgenommen. Er ist nicht mehr so locker. Bei seiner Präsentation war das gleiche Missgeschick noch Dieter Hoeneß passiert. Meyer hatte damals die Situation überspielt und zum Manager gesagt: „Keine Flecken, Dieter.“ Diesmal ist es umgekehrt. Was Hoeneß jetzt gar nicht gebrauchen kann, ist neuer Wirbel um Bobic. Und während Meyer hinter den Mikrofonen abtaucht und sich an seiner Hose zu schaffen macht, legt Hoeneß seine hohe Stirn in Falten und erzählt vom klärenden Gespräch zwischen Meyer, Bobic und ihm. „Wir haben ihm gesagt, was wir erwarten, und er hat gesagt, dass er alles unternehmen wird.“

Mittlerweile hat sich auch Hans Meyer wieder gefangen. In dieser Angelegenheit mag er gern das Schlusswort haben: „Fredi soll sich nicht verbiegen, sondern er soll nur Leistung bringen.“ Hoeneß zuckt noch einmal kurz zusammen; dann werden neue Fragen gestellt.

Dieter Hoeneß will jetzt nur noch, dass es losgeht. „Höchste Zeit“, sagt er und erzählt, wie gespannt er ist. „In diesem Jahr gilt das im Besonderen, weil wir uns was vorgenommen haben.“ Den Klassenerhalt. Das war nicht eben das Wunschziel der Berliner, ist aber den Umständen entsprechend ein sehr ehrgeiziges. Hoeneß hat in sich hinein gefühlt und fühlt, dass er „nicht euphorisch, aber optimistisch“ ist. Meyer setzt lieber auf Psychologie: „Wir müssen so schnell wie möglich in einen Bereich vordringen, wo wir die Mitkonkurrenten einholen.“

Hans Meyer hat sich keinen neuen Kaffee bringen lassen. Noch bleibt ein bisschen Zeit, um das zu verhindern, was niemand auf der Geschäftsstelle sich ausmalen mag: Im Mai als Zweitligist durch diese schicke, blanke Pforte zu gehen.

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