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Magath

© dpa

Gegen Bremen: Wolfsburg Meister? Wolfsburg Meister!

In Wolfsburg zweifelt niemand mehr, dass der VfL heute im Spiel gegen Werder Bremen seinen ersten Titel holt – nicht einmal Trainer Felix Magath.

Beim Tunesischen Verein Wolfsburg ist aus dem Konjunktiv längst ein Indikativ geworden. Der Verein hat in der Wolfsburger Fußgängerzone ein Ladenlokal in einem dieser Fünfziger-Jahre-Billigbauten gemietet, und im Fenster hängt ein professionell gestaltetes Plakat mit der Meisterschale und der dazugehörenden Gratulation an den heimischen VfL. Meister? Meister! Vor der Filiale eines Schnellrestaurants hat eine Vatertags-Combo mit Bollerwagen Rast eingelegt und die Bekanntschaft mit zwei jungen Portugiesen gemacht. Smalltalk auf Schulenglisch. Wo kommt ihr her? Wie lange bleibt ihr? „You choose the right time because …“, sagt einer. Und dann alle, Wolfsburger und Portugiesen: „Yeah!“

Der richtige Zeitpunkt. An diesem Samstag kann der VfL Wolfsburg zum ersten Mal deutscher Fußballmeister werden; mit einem Punkt aus dem Heimspiel gegen Werder Bremen wäre er wohl schon auf der sicheren Seite, und selbst eine Niederlage reicht, wenn Bayern und Stuttgart sich im direkten Duell unentschieden trennen. „Letztendlich war es eine große Saison“, sagt Trainer Felix Magath, als gäbe es das letzte Spiel gar nicht mehr. In der Champions League spielt der VfL im nächsten Jahr auf jeden Fall. „Das ist ein Riesenerfolg, mit dem man so schnell nicht rechnen konnte.“

In Wolfsburg rechnen sie längst mit mehr. Die Lokalzeitung hat herausgefunden, dass noch nie in 46 Jahren Bundesliga der Spitzenreiter am letzten Spieltag zu Hause die Meisterschaft verspielt hat. Was soll also noch passieren, zumal gegen einen Gegner, dem die Bundesliga zuletzt reichlich egal war? Felix Magath erwartet trotzdem „eine haarige Partie“. Am Mittwoch saß er vor dem Fernseher, um Werders Uefa-Cup-Finale gegen Donezk zu verfolgen, der Ausgang hat ihm gar nicht gefallen. Ihm wäre es lieber gewesen, die Bremer wären als triumphale Sieger nach Wolfsburg gereist. „Zufriedene Spieler sind manchmal nicht ganz so leistungsbereit“, sagt Magath. „Unzufriedene sind schon gefährlich.“

Wolfsburgs Trainer sucht für seine Mannschaft die richtige Justierung: Selbstbewusstsein darf nicht in Selbstüberschätzung umschlagen, Lockerheit nicht in Lässigkeit. „Keiner trägt die Nase hoch“, sagt Stürmer Edin Dzeko. Trotzdem hat Magath seine Spieler seit Donnerstag kaserniert, irgendwo auf dem platten Land, wovon es in Niedersachsen ja reichlich gibt. Es war eine Vorsichtsmaßnahme. „Hier ging es die ganze Woche nur darum, wie wann was gefeiert wird“, sagt Magath. „Das ist eine gefährliche Situation.“

Vor dem Wolfsburger Rathaus laufen seit Mitte der Woche die Aufbauarbeiten für die große Party. Fast eine Million Euro soll die Sause kosten. Glücklich, wer einen solventen Sponsor wie Volkswagen besitzt. Auch in der Mannschaft, der mutmaßlichen Meistermannschaft, steckt eine Menge VW-Geld. 60 Millionen Euro soll Magath in den beiden Jahren beim VfL investiert haben. Aber es wird seiner Leistung nicht gerecht, sein Werk allein auf die üppigen Millionen zu reduzieren.

Für Marcel Schäfer, der in Wolfsburg zum Nationalspieler aufgestiegen ist, hat der VfL 800 000 Euro gezahlt, für Sascha Riether, wertvolle Stammkraft in dieser Saison, eine halbe Million. Und auch die 2,5 Millionen für Edin Dzeko, an dem so ungefähr jeder Topklub Europas interessiert sein soll, waren mehr als gewinnträchtig angelegt. „Wir haben keine fertigen Spieler verpflichtet“, sagt Magath, „sondern junge Spieler, die erheblich vorangekommen sind. Das war offensichtlich die richtige Strategie.“

Bei seinem letzten öffentlichen Auftritt vor dem Saisonfinale kriegt Magath das Lächeln gar nicht mehr aus dem Gesicht. Es ist nicht triumphierend oder höhnisch gemeint, es wirkt eher leicht und leise. Man könnte es als Ausdruck eines tiefen, echten Glücks deuten, das Magath gerade empfindet. Die sechste Meisterschaft, als Spieler und Trainer, wäre eine ganz besondere für Magath – weil er in Wolfsburg für alles alleine verantwortlich war und seine Vorstellungen vom Fußball ungefiltert umsetzen konnte: „In dieser Mannschaft steckt mehr von mir drin als in anderen Mannschaften, die ich trainiert habe.“

In dieser Mannschaft steckt sogar die Meisterschaft. Lange hat Felix Magath selbst nicht daran geglaubt. Vor ein paar Wochen noch hat er den Titel „als nicht machbar eingeschätzt“, aber jetzt, ganz kurz vor dem Ziel, sagt er: „Wir werden aus meiner Sicht zu Recht Deutscher Meister.“ Indikativ statt Konjunktiv.

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