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Hinspielszene. Schalkes Joel Matip (l.) und Jean-Philippe Mendy von Maribor gestikulieren.

© dpa

Gegen den FC Schalke 04: Der letzte Stolz von Maribor spielt in der Champions League

Maribor war mal eine florierende Industriestadt. Heute herrschen Armut und Tristesse, nur noch der Fußballklub versprüht ein bisschen alten Glanz. Ein Sieg gegen Schalke würde die Europa League bedeuten.

Die Drau zieht träge unterhalb der Altstadt entlang. Der dunkle Himmel wirft Maribor in ein tristes Licht. Seit vier Wochen klebt eine ungemütliche Mischung aus Regenwolken und Tiefnebel über dem Norden Sloweniens und dem Südosten Österreichs, die bis zum Ersten Weltkrieg als Steiermark gemeinsam zur K-und-K-Monarchie gehörten. Damals, als Maribor noch Marburg hieß und in den engen Gassen der Altstadt steirisch gesprochen wurde. Heute ist Maribor die zweitgrößte Stadt Sloweniens und deutsch nur von Touristen zu hören. So wie am Montag, als im wenige Kilometer entfernten Graz Feiertag war und die ersten Fans von Schalke 04 zum letzten Gruppenspiel in der Champions League gegen NK Maribor eintrafen.

Das österreichische Erbe ist noch immer sichtbar, wenn auch der Putz an den prunkvollen Stadtvillen tiefe Risse bekommen hat. Das Geld ist knapp. „Wir haben unsere Identität verloren“, sagt Bojko. Der junge Mann trägt ein violett-gelbes Trikot des heimischen Fußballklubs - der letzte verbliebene Stolz. „Früher war Maribor eine florierende Industriestadt. Doch das ist vorbei.“ Der Frust über den Niedergang führte vor zwei Jahren dazu, dass Maribor zum Epizentrum des slowenischen Wutausbruchs wurde. Zu Tausenden gingen sie gegen soziale Ungerechtigkeit, Missmanagement, Klientelismus und Korruption auf die Straße.

Von Maribor aus breitete sich der Protest über das Land aus und führte im eigenen Rathaus zum Rücktritt des Bürgermeisters. Nachfolger Andrej Fistravec, Soziologieprofessor und Kopf der Bewegung, musste schon kurz darauf mit ansehen, wie das Bistum Maribor unter Schulden in Höhe von 72 Millionen Euro in die Pleite schlitterte. Schuld waren Finanzspekulationen und sie führten zum ersten Mal in der Geschichte des Vatikans zum Rücktritt zweier Erzbischöfe in nur zwei Jahren. Kurz zuvor wurde das Kulturhauptstadtjahr 2012 zum teuren Flop für die Stadt.

Trainer Ante Simundza ist eine Klublegende bei NK Maribor

In dieser Tristesse kommt der Erfolg des NK gerade recht. Der zweite Einzug in die Gruppenphase der Champions League nach 1999 hat die Stadt in einen Rausch versetzt. Denn sollte Maribor gegen Schalke gewinnen, würde der zwölffache Landesmeister in die K.o.-Runde der Europe League einziehen. Davon sind die Fans im einzigen Fanshop der Stadt überzeugt. Das Geschäft liegt in der Bayrischen Gasse, doch von Verhältnissen wie beim FC Bayern ist man weit entfernt. Mit 100.000 Einwohnern ist die Stadt klein und damit auch der Fußballklub. Vieles wirkt in der Vereinsorganisation provisorisch, manches chaotisch. So ist auch im Shop das Sortiment überschaubar und auf wenigen Quadratmetern eng gepackt. Dennoch sind alle euphorisch. Es wird sogar ein spezielles NK-Bier verkauft. Tickets gibt es hier aber keine. Denn die wurden ausschließlich an der Arena „Ljudski Vrt“ für alle drei Gruppenheimspiele als Paket abgegeben. Schon nach wenigen Stunden waren alle 12.994 Eintrittskarten verkauft.

„15 Jahre haben wir darauf gewartet“, sagt ein älterer Anhänger im Fanshop. Er war schon 1999 im Volksgarten-Stadion dabei. Damals gelang ein 0:0 gegen Leverkusen und ein 1:0-Auswärtssieg gegen Dynamo Kiew. Mit diesem Tor machte sich Stürmer Ante Simundza zur Klublegende. Der gebürtige Marburger sitzt auch heute gegen Schalke auf der Bank – allerdings als Cheftrainer. Er ist einer der beiden Väter des Erfolgs. Der andere ist Sportdirektor Zlatko Zahovic. Er übernahm den Klub 2007, als der mit hohen Schulden kurz vor dem Aus stand. Man hatte mit dem Erfolg nicht umgehen können. Mit kleinen Transfers und der Förderung von Talenten sanierte er mit Ex-Trainer Darko Milanic den NK schrittweise. Simundza gelang dann der Sprung in die Königsklasse. „Zahovic ist einzigartig, alle ziehen bei ihm an einem Strang“, sagt Milanic über seinen Nachfolger. Dieses neue Gemeinschaftsgefühl erinnert an die Protestwelle 2012, die ja auch ein Erfolg war, sagt Zlatko. Der junge Fan wird sich das Spiel nicht im Stadion ansehen können. Dafür wird er sich aber im Zentrum einfinden zum Public Viewing,  Dort, wo vor zwei Jahren der Umschwung begann. Nur will man diesmal niemanden stürzen sehen.

Ingo Hasewend

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