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Sport: Gegen die Zeit

Warum Jens Voigt beim morgigen Mannschaftsfahren der Tour das Gelbe Trikot übernehmen will

Wenn Jens Voigt auf dem Fahrrad sitzt, dann sieht man, dass Radsport harte Arbeit ist. Voigt ist kein Ästhet wie Jan Ullrich, der selbst ein Zeitfahren mit 50 Stundenkilometern im Schnitt leicht aussehen lässt. Während Ullrich beim Prolog der Tour de France in Lüttich in perfekter Pose auf seinem Lenker ruhte, rutschte Voigt hin und her und die Anstrengung, das Rad mit jedem Tritt neun Meter vorwärts zu wuchten, zeichnete eine Grimasse auf Voigts Gesicht. Allerdings war Voigt auch sechs Sekunden schneller als Ullrich.

Der Prolog hatte aber für Jens Voigt auch eine ganz andere Bedeutung, als für Jan Ullrich. Ullrich verkündete gelassen, dass die Tour noch lang sei – er hat noch drei Wochen lang Gelegenheit, das Gelbe Trikot zu erobern. Voigt hingegen will das Trikot so schnell wie möglich. Gestern hat das aber noch nicht geklappt: bei der Massenankunft in Namur kam Voigt mit dem Feld ins Ziel, in der Gesamtwertung ist er nun mit 23 Sekunden Rückstand auf das Gelbe Trikot Fünfter. Nun plant Voigt, es am Mittwoch beim Mannschaftszeitfahren zu übernehmen. Sein Team, die Formation CSC unter Führung des Tour-Siegers von 1996, Bjarne Riis, gilt als Geheimfavorit für die Etappe über 64,5 Kilometer. Und da Voigt bisher der schnellste CSC-Fahrer in der Gesamteinzelwertung war, hätte er bei einem Erfolg seines Teams beste Aussichten, das Trikot vielleicht sogar für ein paar Tage durch Nordfrankreich und die Bretagne zu tragen.

Der Mannschaft von Bjarne Riis fehlt diesmal ein echter Kandidat für das Gelbe Trikot am Ziel in Paris. Doch diese Situation ist für Riis keine neue. Es können eben nur drei der 21 Mannschaften einen Fahrer auf das Podest bringen – die anderen müssen ihrem Sponsor auf andere Art nützlich sein. Und das hat Riis seit der Team-Gründung vor drei Jahren verstanden wie kaum ein anderer: 2001 und 2002 mit dem Gewinn des Bergtrikots und mit bejubelten Solo-Attacken durch den französischen Publikumsliebling Laurent Jalabert, im vergangenen Jahr durch die spektakuläre Fahrt des verletzten Tyler Hamilton. In diesem Jahr hat sich Riis das Mannschaftszeitfahren ausgesucht. Das soll sein Team gewinnen, sagt er.

2001 hatte der 33-jährige Voigt mit Crédit Agricole schon einmal ein Mannschaftszeitfahren gewonnen und dann für einen Tag das Trikot des Führenden getragen. Das möchte er 2004 noch einmal erreichen. Seine Angriffslust bewies er bei dieser Tour bereits auf der ersten Etappe, als er 116 Kilometer lang eine Fluchtgruppe anführte, sich dank der Zeitgutschriften ein Stück näher an die Spitze schob. Dank Riis hat er nun eine noch größere Chance. Voigt sagt, er könne nicht mehr zählen, wie oft Riis das Formationsfahren trainieren ließ: „Schon im Januar im Trainingslager hieß es plötzlich aus dem Mannschaftswagen, wir sollten uns in Neunergruppen aufteilen und einreihen und dann ging’s los.“

Riis’ Team ist eine Ansammlung von Stars: Der Tour-Dritte von 1998, Bobby Julich, ist darunter und der frühere Weltcup-Sieger Michele Bartoli. Und so diente das unablässige Training des Mannschaftszeitfahrens auch dazu, die Egoismen zu zähmen. Das Sagen hat Bjarne Riis, mit der Autorität des Tour-Siegers, denn der Däne will unbedingt, dass sein Team am Mittwoch dafür sorgt, dass Jens Voigt einen Tag später in Gelb fahren darf.

Heute im Fernsehen: Die 3. Etappe, Waterloo – Wasquehal,

live in der ARD und bei Eurosport.

SENDEBEGINN 13.00 Uhr .

Sebastian Moll[Charleroi]

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