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Sport: Gelassen im Galopp

Mit seiner ruhigen Art gilt Marcus Ehning als Ausnahme unter Deutschlands Springreitern

Es sieht so gesittet aus. Marcus Ehning reitet seinen großen Schimmel in gelassenem Galopp vor den Steilsprung, der Schimmel springt locker drüber. Die Ohren des Pferdes drehen sich nach hinten zum Reiter, es kaut, es schäumt am Maul. Ein Zeichen für Zufriedenheit. Heile Welt auf dem Vorbereitungsplatz vor dem Springstadion in Aachen. Das CHIO in Aachen ist eines der wichtigsten Reitturniere – trotzdem wirken die beiden so gelassen, als ob sie einen Sonntagsspaziergang machten.

Diese Ruhe ist ein Zeichen für Qualität. Marcus Ehning landete zwar gestern beim Preis von Europa in Aachen nach einem Abwurf nur auf Rang fünf, in der Weltrangliste aber liegt er ganz vorne. So unauffällig, wie er in der Bahn Erfolge holt, wirkt er auch als Mensch: Blonde Wimpern, schmächtig mit dünnen Oberschenkeln und keiner, der sich mit schmucken Worten gut verkauft. „Das sieht ja so aus, als ob der da oben nichts drauf tut, das Pferd alles alleine macht“, sagt Paul Schockemöhle, „aber es ist ja genau anders herum, der Marcus macht, und das Pferd führt aus.“ Es ist ein bisschen wie beim Eiskunstlaufen: Wenn es perfekt ist, sieht man weder Anstrengung noch Anweisungen. Mit Gitania und Nolte’s Küchengirl, mit der er beim heutigen Großen Preis von Aachen an den Start geht, hat Marcus Ehning zwei starke Pferde. Er ist damit in einer Ausnahmeposition unter den sechs Reitern, die um einen Platz im Springteam für die Weltreiterspiele Ende August in Aachen konkurrieren.

Beim Sieg im Nationenpreis am Freitag musste Ehning erst gar nicht antreten. Christian Ahlmann, Meredith Michaels-Beerbaum und Ludger Beerbaum hatten genug Abstand zum nächsten Konkurrenten, den USA, geschaffen, so dass die deutsche Mannschaft selbst bei einer schlechten Runde Ehnings gewonnen hätte. Diese vier hatte der Bundestrainer Kurt Gravemeier beim CHIO als Nationenpreis-Team zusammengestellt. Ob es auch die Mannschaft ist, die für Deutschland bei den Weltreiterspielen starten wird? Der Bundestrainer ziert sich ein bisschen, sagt, es sei noch viel Zeit, weiterhin habe er sechs Reiter auf seiner Liste. Also auch Otto Becker und Marco Kutscher.

Die Stimmung ist ohnehin eher euphorisch: Nachdem beim Nationenpreis 2005 die Deutschen auf einem beschämenden 7. Platz landeten, freut sich nun die Reitszene in Aachen über den jüngsten Erfolg. Wenn man schon den Titel holt, obwohl der Europameister Marco Kutscher nicht im Team reiten durfte und der beste Mann, Ehning, nicht gebraucht wurde, scheint das ein Zeichen von Stärke zu sein. Die deutschen Springreiter gelten als Favoriten der Weltreiterspiele.

Und doch ist der Ton des Bundestrainers Gravemeier zur Nominierung: Abwarten. Er verweist auf die risikoreiche Zeit bis August. Kein Reiter außer Marcus Ehning ist mit zwei Spitzenpferden ausgestattet. Von jedem anderen geht die Gefahr aus, dass er kurzfristig ausfallen könnte. Kein Pferd außer Otto Beckers Cento ist ein Routinier. Momentan wechselt die Pferde-Generation. Das beste Beispiel ist Ludger Beerbaums L’Espoir: Der zeigte im vergangenen Jahr miserable Runden, inzwischen scheint Beerbaum einen Weg gefunden zu haben. Er benutzt nun eine gebisslose Zäumung. „Außerdem ist das Pferd routiniert geworden, wuchs mit dem Leistungsdruck“, erklärt Hans-Günther Winkler, der Altmeister des Springreitens.

Klare Favoriten will keiner benennen. Und doch klingt an, dass Ehning und Beerbaum die Einzigen sind, die für die Mannschaft sicher gebucht sind. Beerbaum als erfahrenster Reiter, Ehning als zugleich flinkster und ruhigster Vertreter der neuen Reitergeneration. Die restliche Besetzung wird nach den deutschen Meisterschaften in Münster Ende Juli festgelegt.

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