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Sport: Gelb, Rot, äh, doch nicht Lubos Michel – ein Schiedsrichter verwirrt

Lubos Michel, der Slowake, gehört ganz sicher zu den besten Schiedsrichtern der Welt. Er hat zum Beispiel das diesjährige Champions-League-Finale gepfiffen.

Lubos Michel, der Slowake, gehört ganz sicher zu den besten Schiedsrichtern der Welt. Er hat zum Beispiel das diesjährige Champions-League-Finale gepfiffen. Doch beim Spiel Niederlande gegen Russland fiel er mit einem verwirrenden Auftritt auf. Erst zeigte er dem Russen Denis Kolodin nach einem Foul Gelb-Rot, dann nahm er diese Entscheidung wieder zurück. Er hatte sich zuvor mit einem seiner Assistenten beraten und zeigte dann mit einer Geste, dass der Ball vor dem Foul im Aus gewesen war. Dass der Ball im Aus war, das wäre allerdings nur dann interessant gewesen, wenn Michel dem Russen wegen eines taktischen Fouls die Gelbe Karte gezeigt hätte. Dann wäre das Foul passiert, während der Ball nicht im Spiel war, und damit hätte Kolodin wirklich nicht verwarnt werden dürfen. Doch sehr viel spricht dafür, dass Michel wegen der Qualität des Fouls Gelb-Rot gezeigt hatte. Und bei so einem Vergehen ist es völlig egal, ob das Spiel unterbrochen war oder nicht. Andernfalls könnte ja jemand auch seinen Gegenspieler ungestraft schlagen, sofern nur das Spiel unterbrochen ist.

Doch die Schiedsrichter-Kommission der Uefa hat gestern Michels Entscheidung verteidigt. In einer Erklärung heißt es, Michel habe den Platzverweis zurückgenommen, „weil er nach Rücksprache mit seinem Assistenten zu der Meinung kam, dass das Foul nicht gelb-würdig gewesen war“. Die Uefa kann es sich gar nicht erlauben, einen Fehler von Michel zuzugeben, zu hoch wäre sonst der Image- und sportliche Schaden. Hätte Michel Gelb-Rot wegen der Verwechslung von „taktischem Foul“ und „rücksichtslosem Foul“ zurückgenommen, hätte das Uefa-Sportgericht nach einem Protest zum Ergebnis kommen können, das Spiel zu wiederholen. Und das will die Uefa auf jeden Fall verhindern. Eine Neuansetzung wegen eines Schiedsrichterfehlers, das gab es in der EM-Geschichte noch nie.

Es ist schon seltsam, dass der Assistent, der rund 50 Meter entfernt stand, die Qualität des Fouls angeblich besser einschätzen konnte als Michel, der nur ein paar Meter daneben postiert war. Ein Assistent, das ist eine eiserne Regel, darf sich nur ein Urteil erlauben, wenn er absolut sicher ist. „Der muss 101-prozentig sicher in seinem Urteil sein“, sagte mal der langjährige Bundesliga-Schiedsrichter Manfred Amerell. Aber wenn doch alles so einfach zu begründen ist, dann hätte Michel das Ganze direkt nach dem Spiel aufklären können. Die Uefa-Erklärung kam aber erst am Sonntagnachmittag.

Und mit ihrer ominösen Erklärung bringt die Uefa auch gleich noch andere Offizielle aus der Schusslinie. Denn um fatale Fehlentscheidungen eines Schiedsrichters zu verhindern, gibt es ein Kontrollnetz. Die Assistenten, der vierte Offizielle, sowie der Ersatz-Assistent – sie alle bilden dieses Kontrollnetz. Aber keiner hat sich am Sonnabend eingeschaltet, sonst hätte sich Michel ausführlicher beraten, es hätte eine längere Verzögerung geben. Zudem durfte Kolodin ja weitermachen. Nur wenn man der Uefa-Begründung glaubt, dann haben die Offiziellen zu Recht geschwiegen. Immerhin: Fürs Halbfinale ist Kolodin trotz allem gesperrt. Seine erste Gelbe Karte am Samstagabend war seine zweite im Turnier – und damit muss er am Donnerstag zuschauen. Frank Bachner

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