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Sport: Gemeinsam gebetet

Frömmigkeit schließt weltliche Laster nicht aus. Erst recht nicht, wenn die nächtliche Bettruhe gestört wird.

Frömmigkeit schließt weltliche Laster nicht aus. Erst recht nicht, wenn die nächtliche Bettruhe gestört wird. So war das jedenfalls bei Uli Egen und Gunnar Leidborg vor drei Jahren, als sie noch beim selben Arbeitgeber beschäftigt waren. Verstanden haben sich der Allgäuer und der Schwede seinerzeit bei den Augsburger Panthern aus der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) prima, in fast jeder Hinsicht. Vor den Spielen haben Manager Egen und Trainer Leidborg zum Beispiel gemeinsam gebetet. "Der Gunnar und ich, wir sind halt gläubige Menschen", erinnert sich Egen, "wir sind immer zusammen in die Kirche gegangen."

Am heutigen Sonntag steht für Leidborg und Egen in Eichkamp kein klerikales, sondern ein banal weltliches Erlebnis auf dem Programm. Und mit der Gemeinsamkeit der einstigen Weggefährten dürfte es dabei angesichts unterschiedlicher Interessenlage auch nicht mehr so weit her sein. Als Trainer der beiden Berliner Klubs aus der DEL werden Leidborg und Egen heute in der Deutschlandhalle beim zweiten Stadtderby dieser Saison zwischen den Berlin Capitals und dem EHC Eisbären (Beginn 14.30 Uhr) auf verschiedenen Bänken Platz nehmen. Für beide ein ungewohntes Bild, denn in Augsburg mussten Egen und Leidborg stets eng zusammenrücken. "In Augsburg hatten sie damals immer finanzielle Probleme", sagt Egen, "bei den Panthern mussten wir uns bei den Auswärtsfahrten deshalb immer ein Zimmer teilen."

Was allerdings für den heutigen Trainer der Eisbären ein Problem darstellte. "Der Gunnar hat dermaßen geschnarcht, so was habe ich nie zuvor erlebt", erzählt Egen. "Da konnte ich nicht schlafen, und dann habe ich ihn eben geweckt." Mitten in der Nacht stand dann für den Manager und den Trainer schon mal eine gemeinsame Zigarettenpause an. "Erzähl das bloß nicht meiner Frau", hat der Schwede, in dem viele einen Nichtraucher vermuteten, damals zu Egen gesagt. Ein frommer Wunsch, denn irgendwann hat die Gattin doch alles erfahren. Frau Leidborg dürfte es ihrem Ehemann inzwischen verziehen haben, schließlich ist der Trainer der Capitals heute nicht nur Nichtraucher, sondern in seinem Job auch äußerst erfolgreich. Wer hätte den Capitals nach dem Sommertheater um ihre Lizenz schon zugetraut, dass sie trotz sechs Punkten Abzug nach einem Drittel der Saison sich nicht nur in der Tabelle nicht wie ein Abstiegskandidat präsentieren?

Trotzdem, oder vielleicht auch deswegen hat Leidborg bei den Capitals einen Job, um den ihn manche seine Kollegen in der DEL beneiden dürften. Wo keine Erwartungen in sportlicher Hinsicht existieren, da wird man als Trainer auch kaum in Frage gestellt werden. Mit dem Umkehrschluss hat hingegen Uli Egen zuletzt zu kämpfen gehabt. Seine Eisbären waren derart hervorragend in die Saison gestartet, dass die Fans schon den kommenden Meister feierten. Als dem anfänglichen Höhenflug eine Niederlagenserie folgte, sank die Stimmung im Lager der Eisbären ganz erheblich und Egen geriet in die Kritik. Nicht wenige Anhänger haben noch vor wenigen Tagen offen die Entlassung des Trainers gefordert.

Nach den Siegen der Eisbären am Mittwoch in Essen und am Freitag gegen Hannover ist die Diskussion um Egen schon wieder Geschichte, zumindest bis heute Nachmittag. Denn das Berliner Derby ist für die Fans aus beiden Lagern nun einmal von eminenter Brisanz. Und da will zumindest der Übungsleiter der Eisbären trotz der Freundschaft mit dem Trainer der Capitals nicht hintenanstehen.

"Wenn ich höre", sagt Egen, "dass sich da einige Spieler von den Capitals bemüßigt fühlen, öffentlich zu erklären, was wir angeblich für eine schlechte Mannschaft sind, dann ärgert mich das. Schon deshalb müssen wir das Spiel unbedingt gewinnen." Für Nebengeräusche ist der Schwede Leidborg dagegen nicht zu haben. "Wir Trainer sollten uns öffentlich zurückhalten", sagt der Coach der Capitals, "am Sonntag werden wir wegen der Fans schon genügend Emotionen haben."

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