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Sport: Gemütlich nach oben

Heute spielt Union in Aue und trifft dabei auf die eigene Geschichte als erfolgreicher Emporkömmling

Wer beim 1. FC Union in die Zentrale des Managements will, muss hoch hinauf. Ganz oben unter dem Dach der Geschäftsstelle hat Christian Beeck sein Büro. Nichts Protziges auf wenigen Quadratmetern, ein kleiner Schreibtisch mit Computer, dazu ein Stuhl für Besucher. Von Glamour und Luxus des Profifußballs ist hier nichts zu spüren, es riecht nach frischem Kaffee, es herrscht Köpenicker Gemütlichkeit.

In so einem Ambiente fühlt sich auch der FC Erzgebirge Aue wohl. Das alte Geschäftsstellengebäude nahe dem Erzgebirgsstadion versprüht wohlwollend ausgedrückt historischen Charme, die Zeit hat an dem Gebäude zumindest äußerlich ihre Spuren hinterlassen. Genau wie bei Union entsteht der Eindruck, dass der große Fußball überall auf der Welt gespielt wird, nur nicht hier. Es ist nicht die einzige Gemeinsamkeit, die Aue und den 1. FC Union vor dem heutigen Spiel (13.30 Uhr, live bei Sky) miteinander verbindet.

Das zum „Ostderby“ stilisierte Spiel bezieht seinen Reiz nicht nur aus der Historie, auch wenn Beeck sagt: „Beide Klubs haben eine gemeinsame Geschichte. Für uns ist ein Spiel gegen Aue schon etwas anderes als gegen Oberhausen.“ Mehr als die Vergangenheit ist es die – gemessen an den wirtschaftlichen Möglichkeiten – erfolgreiche Gegenwart. Zu DDR-Zeiten spielten beide Klubs sportlich keine Rolle. Die Berliner pendelten stets zwischen Ober- und DDR-Liga und Aue blieb nach drei Meisterschaften in den fünfziger Jahren nur noch die Erinnerung an eine goldene Dekade. Die Realität dagegen war trist, meist landeten die Sachsen irgendwo im Niemandsland der Tabelle. Wenn Jena, Magdeburg, Dresden oder der BFC Dynamo ihre Erfolge bejubelten, schauten Aue und Union zu. Das hat sich heute geändert.

Neben Energie Cottbus sind beide die einzigen Vereine der Zweiten Liga, die dem Gebiet der ehemaligen DDR entstammen. Alle anderen Ostklubs spielen in der Dritten Liga oder tiefer. Dabei waren die Voraussetzungen für die Spitzenklubs der DDR-Oberliga nach der Wende deutlich günstiger, sich im gesamtdeutschen Fußball zu etablieren, als für Aue oder Union. Darauf angesprochen, muss Christian Beeck lächeln. „Vereine, die in der Führungsetage kontinuierlich gearbeitet haben, können sich eben besser dem Wettbewerb stellen“, sagt der Teammanager.

Kontinuität – Beeck benutzt dieses Wort gern, wenn er von Union spricht. Seit sechs Jahren ist der 40-Jährige dort in diversen Funktionen tätig. Und seit vier Jahren ist Trainer Uwe Neuhaus beim Berliner Zweitligisten angestellt, eine kleine Ewigkeit im Fußballgeschäft. Auch hier gibt es Parallelen zum Gegner. Seit 1999 beschäftigte der FC Erzgebirge vier Trainer, allein Gerd Schädlich blieb acht Jahre lang. Vier Trainer verschliss vor nicht allzu langer Zeit auch Carl Zeiss Jena – in einer Saison.

Nach der Ära Schädlich fand Aue einen Nachfolger in Rico Schmitt. Schmitt, ein typischer Vertreter der neuen Trainergeneration mit viel Energie und Fachwissen, klingt allerdings eher wie Gerd Schädlich als Thomas Tuchel: „Kontinuität in allen Gremien ist immer ein Erfolgsgarant“. Dem 42-Jährigen ist nicht entgangen, wie sich die alten Konkurrenten wie beispielsweise Carl Zeiss Jena oder Lokomotive Leipzig erst finanziell und dann sportlich beinahe zugrunde gerichtet haben. „Was nützen mir palastähnliche Stadien, wenn alles andere nicht stimmt“, sagt er.

Über den 1. FC Union spricht er mit Respekt: „Das ist eine Topmannschaft.“ Die Tabelle spricht allerdings eine andere Sprache, als Zwölfter kämpft Union gegen den Abstieg. Aue ist dagegen die Überraschung der Saison. Noch immer könnte der Klub den Durchmarsch in die Bundesliga schaffen. Der Rückstand auf den Relegationsplatz beträgt vor dem Spiel nur drei Punkte. „Damit beschäftigen wir uns überhaupt nicht“, sagt Aues Trainer. In der vergangenen Saison legte Union zu Beginn eine ähnlich beeindruckende Serie hin, dann folgte der Absturz. „Für Vereine wie Union und Aue besteht die Herausforderung darin, sich dauerhaft im Profifußball zu etablieren“, sagt Schmitt. Bei einem Etat von neun (Aue) beziehungsweise 13 Millionen Euro (Union) sind die Möglichkeiten limitiert.

„Man muss seine Rahmenbedingungen auch akzeptieren können“, sagt Christian Beeck. Er schlendert den Flur entlang, es riecht immer noch nach Kaffee. Die Köpenicker Gemütlichkeit ist allgegenwärtig.

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