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Wieder nichts zu holen für das Einhorn gegen den Löwen.

© Imago

German Bowl in Berlin: So deutsch wie amerikanisches Light-Bier

American Football ist in Deutschland seit einiger Zeit auf dem Vormarsch. Das sieht man auch beim German Bowl am Samstagabend in Berlin. Ein Ortsbesuch.

Manche Sachen muss man vielleicht nicht verstehen. Zum Beispiel, warum sich die Sportler unten auf dem Spielfeld, die meisten von ihnen echte Stiernacken, Träger mächtiger Bärte und Bäuche, ausgerechnet von einem Maskottchen anfeuern lassen müssen, das so gar nicht martialisch-männlich rüberkommt. Ist ja schließlich auch ein Einhorn. Gestatten, Corny, Plüschgesicht der Schwäbisch Hall Unicorns. Oder warum der zweite Klub unter dem Namen „New Yorker Lions“ firmiert, obwohl er aus einer nur unwesentlich kleineren Stadt kommt, nämlich aus Braunschweig. Hängt natürlich, so viel zur Auflösung, mit dem Hauptsponsor zusammen, einer Klamotten-Kette. 

Die Zuschauer in Berlin stören sich an den kleineren Ungereimtheiten am Samstagabend nicht, warum auch? Tausende sind in den Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark gekommen, um eine Sportart zu zelebrieren, die gewiss schon schlechtere Tage erlebt hat in Deutschland, obwohl sie ungefähr so deutsch ist wie amerikanisches Light-Bier: American Football ist hierzulande nicht erst auf dem Vormarsch, seitdem es wieder wöchentlich Livespiele aus der NFL im frei empfangbaren Fernsehen gibt, und die Sportart hat sehr wohl Tradition, gerade in Berlin. Hier findet nun schon seit 2012 der German Bowl statt, das Endspiel der German Football League (GFL).

Am Ende kommt es, wie es kommen musste

Wo sonst der BFC Dynamo seine Regionalliga-Heimspiele austrägt, haben sie diesmal viele seltsame Linien auf dem Feld ziehen müssen. Im Football geht es um Raumgewinn, um Yards und Inches. Oder wie es der Stadionsprecher unter Berücksichtigung des metrischen Systems erklärt: „um Meter und Zentimeter“. Für regelmäßige Football-Gucker mag es zunächst seltsam klingen, dass alle Regeln, Entscheidungen und Strafen eins-zu-eins über die Lautsprecher ins Deutsche übersetzt werden, aber an diesem Abend dient es der allgemeinen Verständlichkeit. Unter den 13 047 Zuschauern, übrigens neuer Rekord, sollen auch ein paar wenige sein, die noch nicht so oft beim Football waren. Die jetzt nicht soooo viel Ahnung haben. Nach einem Rundgang durchs Stadion kann man sich das aber kaum vorstellen angesichts der Devotionalien einschlägiger NFL- und GFL-Klubs, die an jedem Würstchen- oder Burger-Stand und auch sonst überall lauern.

Analog zum BFC Dynamo vor der Wende ahnt man bei einem Blick auf die Statistik auch schon, wie dieser Tag wohl sportlich ausgehen wird: Braunschweig gegen Schwäbisch Hall, das war bereits vor einem und vor zwei Jahren die Ansetzung im German Bowl, und immer haben die Braunschweiger gewonnen. Diesmal halten die Einhörner aus dem Schwabenland länger mit als zuletzt, zur Pause steht es unentschieden, 14:14, und als neutraler Zuschauer ist es schon verdammt schwer, ihnen nicht die Daumen zu drücken angesichts der Vorgeschichte. Selbst Siggi Gehrke, der die Unicorns einst als Abiturient gegründet hat und heute ihr Trainer ist, sieht beim Gang in die Kabine noch recht zuversichtlich aus. Geht da wirklich was?

Am Ende kommt es, wie es kommen musste: Braunschweig verteidigt seinen Titel erneut, Endstand 31:20, jetzt tragen sie auch den Henkelpott aufs Feld, der so lange im Eingangsbereich stand, Siegerehrung. Ein paar Fans der Unicorns, die sich ihre Bommelmützen so aufgesetzt haben, dass sie tatsächlich fast wie Einhörner aussehen, können und wollen das leider nicht verfolgen, sie flüchten sich im Sinne der Frustbetäubung an einen Glühweinstand. So viel deutsches Winterbrauchtum möchte schon sein beim German Bowl. 

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