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Sport: Gespenst vertrieben

Nach dem Abgang des Präsidenten spricht beim FC Barcelona keiner mehr vom Abstieg

Barcelona. Wie es um einen Fußballverein und seine Anhänger steht, erfährt man am besten am Rande des Trainings. Der Dialog der beiden Rentner in Anexas, dem Trainingsgelände des FC Barcelona, war symptomatisch für die Stimmung unter den Barça-Anhängern. „Wir sind immer noch ein Spitzenklub in Europa“, meint der eine. „Ja sicher, und wenn wir absteigen, denken wir immer noch, wir sind die Größten“, sagt der andere.

Es war eine aufregende Woche für sie und ihren Verein. Vor acht Tagen gab Radomir Antic, der die Nachfolge des entlassenen Louis van Gaal angetreten hatte, vor heimischem Publikum seine Ligapremiere als Trainer des katalanischen Vereins gegen Athletic Bilbao. Unter der Woche trat Joan Gaspart als Präsident von Barça zurück, und schließlich mussten die Rot-Blauen zum Stadtduell beim ebenfalls abstiegsbedrohten Espanyol Barcelona antreten. Das Krisen-Derby konnte Barça mit 2:0 für sich entscheiden.

Antic’ Debüt vor einer Woche hatte etwas von der Dramaturgie einer klassischen Tragödie. Gegen Athletic Bilbao kam Barça im einst Siege garantierenden Nou Camp trotz einer 2:0-Führung nicht über ein Unentschieden hinaus. Mehr noch als das Spiel interessierte die Fans eine Personalie. Einige Tage vor dem Spiel hatte Gaspart seine baldige Demission als Präsident des FC Barcelona angekündigt. Den Barça-Anhängern, die dieses seit Monaten zusammen mit der katalanischen Presse wütend gefordert hatten, war die Ankündigung zu wenig. „Gaspart, überleg’s dir ja nicht noch mal“, warnte ein übergroßes Plakat den Noch-Präsidenten, der von zusätzlichen Sicherheitskräften geschützt in seiner Loge saß. „Der Schweinehund hat unseren Klub zerstört“, schimpften die Rentner von Anexas.

Tatsächlich kam mit Gaspart die Unruhe in den Verein. Vor zwei Jahren hatte sich Josep Lluis Nunez verabschiedet, der dem Klub 22 Jahre vorgestanden hatte, und übergab die Regentschaft an seinen Dauer-Vize Gaspart. Der FC Barcelona war damals einer der führenden Vereine in Europa, holte mindestens einen Titel pro Jahr. In der Ägide Gaspart hat Barça viermal den Trainer gewechselt. Titel wurden keine mehr gewonnen, dafür geriet das mit spanischen, holländischen und argentinischen Nationalspielern gespickte Team an den Rand des Abstiegs.

Barça, das noch nie in die zweite Liga musste, konnte sich einfach nicht von dem Druck seines eigenen Namens befreien. „Der Patient liegt weiter auf der Intensivstation“, befand die katalanische Zeitung „El Periódico“ nach dem Spiel gegen Bilbao. Seit Beginn der sportlichen Talfahrt vor einem halben Jahr waren bereits vier Vizepräsidenten von Barça aus Protest gegen die Politik ihres Chefs zurückgetreten.

„Ich habe stets das Beste für den Klub gegeben, es liegt nicht an mir, wenn die Leute sich an meiner starken Persönlichkeit stoßen“, sagte Gaspart. Vor allem war es seine egomanische Art, die den Barcelonistas fast noch mehr aufstieß als die Erfolglosigkeit, die mit ihm über den Klub gekommen ist. Der Druck der Fans und der Presse auf Gaspart nahm auch nach der Rücktrittsankündigung nicht ab. Schließlich beugte sich Gaspart. Der Präsident des FC Barcelona, der seinen Abschied eigentlich auf einer außerordentlichen Hauptversammlung am 1. März hatte zelebrieren wollen, trat zurück und übergab die Präsidentschaft an seinen Vize Enric Reyna.

Reyna kündigte an, den Klub nur kommissarisch bis zur nächsten Wahl zu führen und dann nicht mehr zu kandidieren. Die Wahlen selbst sollen erst dann abgehalten werden, wenn die Mannschaft keine sportlichen Hürden mehr zu nehmen hat, wenn also in der Liga nach oben oder nach unten nichts mehr möglich ist beziehungsweise die laufende Champions-League-Saison für Barça beendet ist. Obwohl die Wahlen damit möglicherweise erst Ende Juni stattfinden werden und obwohl noch nicht einmal die Kandidaten feststehen, scheint die Entscheidung vom Mittwoch schon etwas Druck vom Verein und von der Mannschaft genommen zu haben. Es sieht so aus, als verließe der Patient mit ganz kleinen Schritten die Intensivstation.

Martín E. Hiller

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