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Sport: Gesucht wird: eine neue Vision

Daniel Pontzen über die schwierigste Aufgabe des Reiner Calmund Wenn es auch schwer fällt: Ein wenig Resthumor hat sich Reiner Calmund bewahrt. „Ich kann doch nicht jeden Chemiker fragen, ob er es auch so sieht“, hat der Manager von Bayer Leverkusen gesagt, als man von ihm wissen wollte, ob die Trainerentlassung vom BayerKonzern abgesegnet sei.

Daniel Pontzen über die

schwierigste Aufgabe des Reiner Calmund

Wenn es auch schwer fällt: Ein wenig Resthumor hat sich Reiner Calmund bewahrt. „Ich kann doch nicht jeden Chemiker fragen, ob er es auch so sieht“, hat der Manager von Bayer Leverkusen gesagt, als man von ihm wissen wollte, ob die Trainerentlassung vom BayerKonzern abgesegnet sei. Doch die Halbwertszeit der Heiterkeiten hat abgenommen in diesen Tagen, da Bayers Leib-und-Seele-Manager beinahe täglich im Duktus eines Grabredners über die dunkle Zukunft seines Vereins referiert. Tatsächlich, das weiß Calmund, musste er nie so sehr um das fürchten, was er gerne als sein Lebenswerk bezeichnen lässt. Denn der Abschied von Klaus Toppmöller ist gleichzeitig der Abschied von der Hoffnung, den Leverkusener Turn- und Sportverein als edle Adresse im europäischen Spitzenfußball zu verankern.

Es ist nur vordergründig das operative Handeln, das Reiner Calmund in diesen Tagen so aussehen lässt, als könne er sich Tränen nur mühsam bei öffentlichen Auftritten verkneifen. Im hektischen Tagesgeschäft der Liga wird die Abberufung Toppmöllers schon bald nicht mehr sein als der 262. Eintrag in der entsprechenden Statistik.

Was dem Manager weit mehr Mühe bereitet, ist der andere Teil seiner Aufgabe: der strategische. Nie, so scheint es, herrschte in Leverkusen größere Perspektivlosigkeit als heute. Denn in der Vergangenheit wurde Bayer stets von einer Vision getrieben – der Vision, irgendwann einmal eine große Rolle im internationalen Fußball zu spielen. Im Sommer schienen sie kurz davor zu sein, sie standen im Champions-League-Endspiel, sie beschäftigten Spieler von Weltklasseformat. Sie mussten sie abgeben, nicht wegen des Geldes, sondern weil der Verein Bayer heißt und nicht Bayern. Die Entlassung Toppmöllers ist nur die letzte Etappe einer Entwicklung, die sich seit Saisonbeginn abzeichnet. Eine Entwicklung, die zeigt, dass die Teilhabe am großen Ruhm wie in jenen glücklichen Monaten im Frühjahr 2002 für Bayer niemals mehr sein wird als eine Episode.

Bei der Neubesetzung des Trainerpostens wird sich zeigen, welche Ziele Bayer künftig verfolgt. Im Prinzip bleibt Calmund dabei nicht mehr als die Auswahl zwischen schlechten Lösungen. Denn der neue Bayer-Trainer muss zwei völlig unterschiedliche Profile vereinen. Er muss ein uneitler Kämpfer sein, ein erfahrener Wegweiser im Dickicht des Tabellenendes; jemand, der den Bayer-Profis erklärt, wie man sich wehrt. Vielleicht gelingt dies Thomas Hörster, der eilig präsentierten Zwischenlösung. Vom neuen Trainer erhofft sich Bayer aber auch, dass er dem Verein langfristig eine neue Perspektive gibt. Es muss jemand sein, den die Branche als Spitzentrainer anerkennt. Einer wie Toppmöller, Trainer des Jahres 2002.

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