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Sport: Geteilte Krise

Der Hamburger SV und Werder Bremen spielen 1:1 in einem hektischen Nordderby

Von Karsten Doneck, dpa

Von Mehdi Mahdavikia wird gerne behauptet, er sei lammfromm und zu ernsthaften Fouls gar nicht fähig. Doch eine gute Viertelstunde vor Schluss grätschte der Verteidiger des Hamburger SV weniger nach dem Ball als vielmehr nach den Beinen des Brasilianers Diego. Der Spielmacher von Werder Bremen musste humpelnd vom Feld – und auch für Mahdavikia war das Spiel vorzeitig beendet. Schiedsrichter Wolfgang Stark zeigte ihm die Rote Karte. Mit zehn Mann brachte der HSV gegen den SV Werder den schon bis zum Platzverweis erreichten Stand von 1:1 (0:0) über die Runden. „Gut gespielt, alles gegeben“, sagte der wegen eines Sehnenanrisses wohl noch bis Ende Oktober zum Zuschauen verdammte HSV-Spielmacher Rafael van der Vaart.

Die Rote Karte für Mahdavikia gab Anlass zu Diskussionen. „Mehdi geht nie frontal in einen Zweikampf. Er ist kein Spieler, der absichtlich foult und Verletzungen des Gegenspielers in Kauf nimmt“, sagte HSV-Sportchef Dietmar Beiersdorfer. „Er ist zu spät gekommen bei der Aktion und geht mit gestrecktem Bein rein, das ist immer gefährlich“, sagte HSV-Trainer Thomas Doll. Diego zog beim Gang in die Kabine sein Bein hinkend nach. „Wir hoffen, dass es nur eine Prellung ist“, sagte Werder-Trainer Thomas Schaaf. Vielleicht sollte Doll seinen Spielern nicht nur Leidenschaft vermitteln, sondern auch mal mehr auf Disziplin achten. Mahdavikias Platzverweis war schon der dritte in dieser noch jungen Saison beim HSV. Zuvor waren schon Demel und Benjamin nach Roten Karten vom DFB-Sportgericht gesperrt worden. Und auch einige Fans benahmen sich daneben: So flog eine kleine Flasche in Richtung des Bremer Torwarts Tim Wiese, was Stark in seinem Spielbericht vermerkte.

Beide Mannschaften wollten das Nordderby zur Krisenbewältigung nutzen. Mit dem 1:1 tritt vor allem der HSV auf der Stelle: neun Pflichtspiele und kein Sieg, in der Bundesliga nur vier Unentschieden – das ist zu wenig bei den Ansprüchen der Hamburger. Werder hat wenigstens nach vier Niederlagen in Folge mit dem einen Auswärtspunkt die Talfahrt etwas abgefedert. Die Bremer, angetreten ohne den unter Beschwerden im Sprunggelenk leidenden Torjäger Miroslav Klose, waren durch Tim Borowski nach einer knappen Stunde etwas glücklich in Führung gegangen, zehn Minuten später schaffte Bastian Reinhardt mit einem Kopfball nach einem Eckball von Mahdavikia den Ausgleich. Es war Mahdavikias letzte positive Aktion, bevor er gehen musste. Es sei „ein Derby gewesen, bei dem viele Emotionen freigesetzt worden sind“, sagte Schaaf.

Erstmals lief beim HSV der vor gut drei Wochen verpflichtete und seither verletzte Juan Pablo Sorin auf. Der 75-malige argentinische Nationalspieler lieferte auf der linken Seite eine beeindruckende Vorstellung. Schnell, wendig, trickreich, an vielen Brennpunkten auf dem Spielfeld präsent, die Nebenleute immer wieder mitreißend – „das war genau das, was wir uns von ihm vorgestellt haben“, sagte Beiersdorfer. Und auch Doll freut sich über Sorins belebende Wirkung: „Der eine oder andere bei uns wächst an seiner Seite.“ Ursprünglich sollte Sorin nach 60 bis 65 Minuten aufgrund seiner Trainingsrückstände ausgewechselt werden. Doll sah davon ab: „Er hat mir ,Daumen hoch’ gezeigt, das hieß, er wollte weitermachen.“

Der HSV hängt weiter auf dem viertletzten Tabellenplatz fest. Die Werder-Fans in der mit 57 000 Zuschauern ausverkauften AOL-Arena höhnten schon: „Bundesliga zwei – Hamburg ist dabei.“ So düster wollte Thomas Doll die Lage nicht sehen. „Der Tabellenplatz sollte uns nicht beunruhigen“, sagte er. „Man sieht doch, dass die Mannschaft an sich glaubt.“

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