zum Hauptinhalt

Sport: Gewöhnt an die Rolle des Unauffälligen

Alba Berlins Kapitän Henrik Rödl macht alles, was gut ist für die MannschaftVON DIETMAR WENCK BERLIN.Wendell Alexis bezeichnete ihn vor Wochen als Klebstoff und meinte dies überhaupt nicht ätzend.

Alba Berlins Kapitän Henrik Rödl macht alles, was gut ist für die MannschaftVON DIETMAR WENCK BERLIN.Wendell Alexis bezeichnete ihn vor Wochen als Klebstoff und meinte dies überhaupt nicht ätzend."Henrik Rödl ist bei uns derjenige, der alles zusammenhält", hat der US-Amerikaner die Rolle des Mannschaftskapitäns von Alba Berlin erklärt.Unauffällig, unaufdringlich, häufig unspektakulär, aber immer da, wo er gebraucht wird, und dies meistens mit nachhaltigem Erfolg, ist seine feste Position beim Deutschen Basketball-Meister.Wer nach Spielen mit oberflächlichem Blick das Geschehen Revue passieren läßt, merkt gar nicht, welche Rolle der gebürtige Offenbacher, der morgen 29 Jahre alt wird, im Team hat."Henriks Statistik ist immer voll", sagt Trainer Svetislav Pesic, "auch dann, wenn er nur vier Punkte gemacht hat.Dafür hat er viele Rebounds, Vorlagen, Ballgewinne." Ganz anders sieht es meistens mit der Statistik seines Gegenspielers aus.Die Verteidigung ist die größte Stärke unter vielen des bald 150maligen Nationalspielers.Wie eine Klette hängt er an "seinem" Mann, sichtbar angespannt bis zum äußersten, und immer auf dem Sprung, einen Paß abzufangen, einen Ball zu "stehlen".Um dann im nächsten Moment nach vorn zu rennen und sich von diesen 120-Kilo-Typen, die da unter dem Korb stehen, die massigen Ellenbogen in die Rippen stoßen zu lassen, damit es bloß nicht klappt mit dem Korbleger.Augen zu und durch: Henrik Rödl macht alles, was gut ist für die Mannschaft.Daß am Ende oft andere gefeiert werden, weil sie mehr Punkte oder einen Dunking rückwärts fabriziert haben, daran hat er sich längst gewöhnt.Zu lange spielt Henrik Rödl schon die Rolle des Unauffälligen.Er beschäftigt sich mit allem, doch ohne großes Aufhebens um seine Person.Das lauteste Argument des schweigsamen Kapitäns ist sein Bände sprechendes Engagement auf dem Spielfeld.Wer dies wie er seit Jahren vorlebt, der erntet schließlich den Respekt von allen Seiten.Der wird zu "Deutschlands Basketballer des Jahres" gewählt (1996).Der wird von Pesic als "wichtiges Vorbild für unsere jungen Spieler" gesehen.Der wurde auch zum Kapitän der Nationalmannschaft ernannt.Und hat nie den Spaß verloren, selbst wenn er oft ganz anderes dreinschaut.Denn "es macht mir Spaß, in einem Team zu spielen.Dadurch habe ich die besten Kontakte und Freundschaften in meinem Leben gewonnen".Pesic, so steht es in einem Sport-Archiv zu lesen, soll Rödl sogar einmal als den "Beckenbauer des deutschen Basketballs" bezeichnet haben."So ein Vergleich ist eigentlich unsinnig", antwortet der jugoslawische Erfolgscoach, der den damals 18jährigen 1987 in die Nationalmannschaft holte und seitdem immer mit ihm zusammenarbeitete, "aber vielleicht habe ich es wirklich irgendwann einmal gesagt.Ich habe über Henrik schon so viel Positives gesagt." Was soll man auch sonst tun? Wenn es überhaupt etwas zu kritisieren gibt, dann seinen Hang, die Dinge manchmal zu dramatisch zu sehen.Im Spiel geht Henrik Rödl keinem Schmerz aus dem Wege.Um so sensibler ist er außerhalb des Feldes, nimmt sich vieles sehr zu Herzen.Vor allem, wenn er selbst ein Leistungstief durchmacht, wie zuletzt kurz vor und nach der Weihnachtspause.Vor allem, wenn "der Perfektionist, der seine Sache immer sehr gut machen will" (Ehefrau Susan Rödl über Henrik Rödl), weniger zum Gelingen beiträgt, als er selbst von sich erwartet.Da konnte er richtig in ein Loch fallen.Doch Susan hat Beistand bekommen als Trostspender.Seit vor fünf Monaten Töchterchen Leah zur Welt kam, hat der Vater ein minutenschnell wirkendes Mittel gefunden, seinen Arbeitsfrust wenigstens ein bißchen leichter zu nehmen.Gerade hat er - typisch Rödl - durch noch mehr Arbeit wieder an seine Bestform angeknüpft, da wurde er gestern im Training von einer Rückenverletzung leicht gebremst.Spielen will er heute (20 Uhr, Schmeling-Halle) gegen Paok Saloniki natürlich trotzdem, denn die Mannschaft ist mit dem Erreichten noch nicht zufrieden: "Diesmal wollen wir noch ein wenig weiterkommen als im letzten Jahr", sagt Rödl.Da ist auch der Kapitän gefordert.Er wird schon aufpassen, daß das Erfolgsschiff nicht aus den Fugen gerät.

DIETMAR WENCK

Zur Startseite