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Bundestrainer Joachim Löw beim EM-Qualifikationsspiel Gibraltar - Deutschland (0:7) - mit besonderem Augenmerk auf seine Finger.

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Update

Gibraltar - Deutschland 0:7: Im Zeichen der Nagelfeile

Nach magerem 1:0 zur Halbzeit steigerte sich die deutsche Fußballnationalelf im zweiten Abschnitt und gewann 7:0 gegen Gibraltar. Bundestrainer Joachim Löw fand Zeit für Fingerkosmetik. War die Aktion mit der Nagelfeile despektierlich gegenüber dem Gegner?

Gegen halb neun Ortszeit erlebte Jordan Perez vermutlich die Minute seines Lebens, zumindest seines Fußballerlebens. Es war die Minute, in der der Torhüter der gibraltarischen Fußball-Nationalmannschaft erst gegen Mesut Özil rettete und kurz darauf einen Torschuss von Patrick Herrmann von der Linie kratzte. Genau diesen schlampigen Umgang mit ihren Chancen hatte Bundestrainer Joachim Löw seinen Nationalspielern zuletzt vorgehalten, der erwünschte Lerneffekt stellte sich erst nach der Pause ein. Am Ende gewann die deutsche Fußballnationalmannschaft ihr EM-Qualifikationsspiel in Faro gegen Gibraltar standesgemäß mit 7:0 (1:0). Durch den Erfolg schob sich der Weltmeister auf Platz zwei in seiner Gruppe, der zur direkten Teilnahme an der Europameisterschaft in Frankreich berechtigt.

Anfangs ließ die Zielstrebigkeit noch etwas zu wünschen übrig. Das begann schon in der neunten Minute, als Perez einen Elfmeter von Bastian Schweinsteiger (nach einem Foul an Jonas Hector) parierte. Der Ball war allerdings so schwach geschossen, dass Gibraltars Torhüter keine große Mühe hatte. Für die Nationalmannschaft war es der erste vergebene Elfmeter seit fünf Jahren, als Lukas Podolski bei der WM in Südafrika im Gruppenspiel gegen Serbien gescheitert war.

Joachim Löw stellte so offensiv wie möglich auf

Bundestrainer Löw hatte seine Mannschaft so offensiv aufgestellt wie möglich. In der Abwehr spielte mit Jerome Boateng nur ein einziger Innenverteidiger, dazu Schweinsteiger als Sechser, davor tummelten sich sechs Offensivkräfte, die anfangs darum bemüht waren, das Spiel schnell zu machen, um Lücken in die Defensive Gibraltars zu reißen. Das gelang ihnen deutlich besser als beim 4:0 im Hinspiel.

Die deutsche Fußballnationalmannschaft nach dem 7:0 gegen Gibraltar im EM-Qualifikationsspiel in Faro.
Pflicht erfüllt: Deutschland hat das Rückspiel gegen Gibraltar deutlich gewonnen. Die Spieler freuen sich auf die Sommerpause.

© rtr

Allerdings traten die Gastgeber, die ihre Heimspiele in Portugal austragen, nicht ganz so destruktiv auf wie Ende vergangenen Jahres in Nürnberg. Nach Balleroberungen schalteten sie mutig um und suchten entschlossen den Abschuss. Liam Walker verfehlte schon nach fünf Minuten aus gut 30 Metern nur knapp das deutsche Tor, das diesmal vom Dortmunder Roman Weidenfeller gehütet wurde. Für den 34-Jährigen war es vermutlich der letzte Einsatz für die Nationalmannschaft.

Solche Gelegenheiten sind für Gibraltar das, was für andere Mannschaften Kantersiege sind: ein Grund zum Feiern. In Faro gab es vor der neuen Rekordkulisse von 7467 Zuschauern dafür viele Gründe. Nie zuvor in einem Pflichtspiel konnten die Gibraltarer so lange die Null halten wie gegen den Weltmeister. Bis zur 28. Minute dauerte es, ehe die Gäste in Führung gingen. André Schürrle erschlich sich vor dem gegnerischen Strafraum den Ball, zog davon und überwand Perez zum 1:0.

Gibraltar stand kurz vor dem Ausgleich

Fast im Gegenzug wäre den Gibraltarern beinahe der Ausgleich gelungen. Nach einer Hereingabe in die Mitte waren sich Boateng und Hector nicht einig, Jake Gosling kam aus Nahdistanz zum Abschluss, doch Weidenfeller reagierte glänzend. Auch in der zweiten Halbzeit musste der Dortmunder noch einmal eingreifen, als Lee Casciaro ihn zu überlupfen versuchte. Insgesamt ließen die Deutschen gegen die Gibraltarer, die in der Qualifikation zuvor erst ein einziges Tor erzielt hatten, viel zu viel zu.

In der zweiten Hälfte stellten sie zumindest ihre Nachlässigkeiten in der Offensive ab. Nach der Pause erzielten die Deutschen drei Tore innerhalb von nur zehn Minuten. Bundestrainer Joachim Löw fand nun auf der Bank die Zeit, einen gebrochenen Fingernagel per Nagelfeile zu reparieren. Das wollte er aber nicht als Respektlosigkeit gegenüber dem Gegner verstanden wissen: „Das sollte nicht despektierlich sein. Aber der Nagel war eingerissen“, sagte Löw nach dem Spiel.

"Schon ein bisschen an der Grenze zur Arroganz"

Der Bundestrainer warf seinen Spieler allerdings deren leichten Hang zur Depektierlichkeit vor. „Was wir an Chancen ausgelassen haben, war schon ein bisschen an der Grenze zur Arroganz. Wir haben vier, fünf, sechs Chancen einfach vertändelt und den Torwart angeschossen. Ich habe gesagt: Ich will auf jeden Fall noch einige Tore sehen“, sagte Löw im Nachhinein über seine Kabinenansprache zur Halbzeit.

Max Kruse, der schon vor der Pause für den angeschlagenen Mario Götze (Oberschenkelprellung) eingewechselt worden war, staubte nach Vorarbeit von Özil zum 2:0 ab, kurz darauf erhöhte Ilkay Gündogan auf 3:0, ehe Karim Bellarabi mit seinem ersten Länderspieltor zum 4:0 traf. Bei den Gastgebern, die vor der Pause viel Aufwand getrieben hatten, schwanden nun merklich die Kräfte, die Chancen für den Favoriten häuften sich. Schürrle (zwei) und Kruse trafen erneut – und schraubten das Ergebnis noch in eine erträgliche Höhe. Für die Deutschen war es auf den Tag genau elf Monate nach dem WM-Finale das versöhnliche Ende einer langen und nicht unkomplizierten Saison. (mit dpa)

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