zum Hauptinhalt

Gipfeltreffen: Sind die Bayern das neue Werder?

Die Aussichten im Olympiastadion sind stürmisch: Im Pokalfinale treffen die offensivstärksten Mannschaften der Liga aufeinander.

Was so ein richtiges Feierbiest ist, das bricht schon bei den geringsten Anlässen in richtige Ekstase aus. Bei Louis van Gaal, dem Trainer des FC Bayern München, war das in der vergangenen Woche zu beobachten. Meister waren die Münchner bereits, die Saison gerade offiziell beendet, da erfuhr der Holländer, dass seine Mannschaft auch die erfolgreichste Offensive der Liga stellte. Am letzten Spieltag hatten die Bayern mit 72 Toren Werder Bremen (71) noch abgefangen und überholt. Van Gaal ballte die Faust und tänzelte über die Tartanbahn im Berliner Olympiastadion. Auch die kleinen Details wollen schließlich gebührend gefeiert werden.

Wenn heute im Finale um den DFB-Pokal der FC Bayern auf den SV Werder trifft (20 Uhr, live im ZDF), dann ist das auch das Duell der beiden angriffslustigsten Mannschaften Deutschlands. Die Aussichten im Olympiastadion sind also stürmisch. „Ich wäre sehr überrascht, wenn es nach 90 Minuten noch 0:0 stehen würde“, hat Bayerns Außenstürmer Arjen Robben gesagt. „Ich bin mir sicher, dass Tore fallen werden.“ Allzu gewagt ist diese Prognose nicht, zumal beide Mannschaften das Finale recht gelöst angehen können: Die Bayern haben den ersten Titel schon sicher, die Bremer sind für die Qualifikation zur Champions League qualifiziert. „Es ist nicht so, dass man diese negative Anspannung hat“, sagt Werders Sportdirektor Klaus Allofs.

In der Vergangenheit ist das Duell zwischen Bremen und Bayern immer als ein Kampf der Kulturen verstanden worden: auf der einen Seite die cleveren, abgezockten, manchmal etwas reservierten Münchner; auf der anderen die wilden Bremer, wagemutig, offensiv, aber bisweilen auch etwas naiv in ihrem Glauben: Die Tore, die wir hinten kassieren, holen wir vorne locker wieder auf. In den vergangenen sieben Bundesliga-Spielzeiten stellten die Bremer viermal den besten Angriff der Liga. Auch deshalb sind sie zu Lieblingen des Fußball-Feuilletons geworden. Wie keine andere Mannschaft in Deutschland stehen sie für das Gute und Schöne des Spiels. Aber im Moment sieht es ein wenig so aus, als würde der SV Werder seinen Alleinvertretungsanspruch in Sachen Schönheit einbüßen. Und das ausgerechnet an die Bayern. „Es freut mich, wenn wir Konkurrenz bekommen“, sagt Bremens Trainer Thomas Schaaf.

Das hängt vor allem mit seinem Kollegen auf der Bayernbank zusammen. Louis van Gaal stammt aus einem Land, in dem Schönheit im Zweifel vor Erfolg steht; auch deshalb gilt der deutsche Fußball mit seiner kalten Effizienz den Holländern als Gegenentwurf zu ihrer eigenen Idee vom attraktiven und offensiven Spiel. Van Gaal könnte es mit den Bayern nun tatsächlich gelingen, zwei bisher unversöhnliche Prinzipien miteinander in Einklang zu bringen. Zumindest erfährt er aus seiner Heimat derzeit viel Zuspruch, und aus seinem Bekanntenkreis wurde ihm zugetragen, dass man in Holland „noch nie für eine deutsche Mannschaft so gejubelt hat. Das ist unglaublich, aber auch schön“.

Vielleicht sind die Münchner heute im Finale von Berlin sogar die besseren Bremer, vielleicht ist der FC Bayern das neue Werder. „Bayern München wartet niemals ab“, sagt Louis van Gaal, „Bayern München greift immer an.“ Totale Offensive können theoretisch auch die Bremer, denen Arjen Robben „viel Qualität nach vorne“ zuschreibt; aber es ist eher unwahrscheinlich, dass Thomas Schaaf seiner Mannschaft heute ein ungezügeltes Angriffsspiel verordnet.

In den letzten beiden Saisonspielen gegen Schalke und den HSV hat er die bisherige Formation mit der offensivstarken Dreierreihe Marin-Özil-Hunt hinter Stürmer Claudio Pizarro aufgelöst und sein Team der größeren Stabilität wegen wieder im 4-4-2-System mit Raute aufgeboten. Diese Taktik böte sich auch gegen die Bayern an, um die Außenpositionen (gegen Robben und Ribéry) defensiv besser besetzt zu haben. So weit hat es Louis van Gaal also schon gebracht: Er zwingt den „Offensivpapst Schaaf“ („Kicker“) dazu, in erster Linie defensiv zu denken.

Zur Startseite