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Schwerstarbeit. Viswanathan Anand gewann das WM-Finale im Stechen. Foto: dapd

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Sport: Glanzloser Schnelldenker

Viswanathan Anand bleibt Weltmeister im Schach – seine frühere Brillanz lässt er jedoch vermissen.

Berlin - Am Ende war es nur eine Frage der besseren Nerven: Der Inder Viswanathan Anand, 42, hat am Mittwoch in Moskau in einem dramatisch verlaufenen Tiebreak seinen Titel als Schachweltmeister verteidigt. Er besiegte seinen Herausforderer Boris Gelfand, 43, mit 2,5:1,5 Punkten im Schnellschach-Stechen, das nach einem 6:6-Gleichstand in zwölf klassischen Partien notwendig geworden war.

„Es war unglaublich spannend“, sagte Anand hinterher. „Ich bin zu aufgeregt, um glücklich zu sein, ich bin einfach nur erleichtert.“ Der WM-Kampf in der Tretjakow-Galerie sei völlig ausgeglichen verlaufen. Tatsächlich bestätigte sich auch im Schnellschach-Stechen, was schon während der vergangenen Wochen in den Partien mit langer Bedenkzeit offensichtlich geworden war: Spielerisch war der Weltmeister dem Herausforderer aus Israel keineswegs überlegen. Anand zeigte gestern allerdings eine deutlich effektivere Zeiteinteilung, ihm gingen die Züge schneller von der Hand als Gelfand, der zwar einige verheißungsvolle Stellungen erreichen sollte, aber wiederholt in Zeitnot kam.

Nach einem Remis in der ersten Schnellpartie schien die ebenfalls hart umkämpfte zweite mit dem gleichen Ergebnis zu enden, als Gelfand, der sich bis dahin geistreich verteidigt hatte, mit nur noch wenigen Sekunden Bedenkzeit ein schwerer Fehler unterlief – Sieg für Anand. Doch schon wenige Minuten später, in der dritten Partie, bekam Gelfand mit den weißen Figuren die Chance zum Ausgleich. Er verpasste indes eine klare Gewinnmöglichkeit, woraufhin sich sein Vorteil zunächst verwässerte. Anand spielte aber in der Folge derart leichtsinnig, dass Gelfand eine weitere unverhoffte Chance bekam, die er aber wiederum verstreichen ließ – also nur Remis. „Ich war einfach verloren“, gestand Anand hinterher. In der vierten Schnellpartie gelang ihm schließlich mit Weiß das fehlende Remis. Ein Trost bleibt Gelfand: Der Preisfond von 2,55 Millionen US-Dollar wird nun zwischen Sieger und Besiegtem im Verhältnis 55 zu 45 geteilt.

Es ist fraglich, ob ein anderer Herausforderer, etwa der junge Weltranglisten-Erste Magnus Carlsen, Anand mehr zugesetzt hätte. Denn abgesehen von der achten Runde, in der ihm ein grober Fehler unterlief, agierte Gelfand in den zwölf Partien mit langer Bedenkzeit nahezu perfekt und tiefgründig. Die Art und Weise, wie er sich zum Beispiel in der zwölften Partie mit zwei Bauernopfern aus der Affäre zog, wäre gewiss nicht vielen Großmeistern in den Sinn gekommen. Selbst Anand und sein Team hatten Gelfands Idee in der Vorbereitung nicht bemerkt. „Das war einfach brillant, wie er diese Idee am Brett gefunden hat“, lobte Anand nach dem Finale.

Seit dem Jahr 2007 hält er den Titel und ein Ende der Anand-Ära als Weltmeister ist noch nicht absehbar. Obwohl der 42-Jährige den alten Glanz mitunter vermissen lässt und in seinem Leben andere Schwerpunkte setzt. Mittlerweile ist Anand Vater und lebt mit seiner Familie überwiegend in Chennai, in jener Millionenmetropole, in der er selbst einst als Angehöriger der privilegierten Kaste der Brahmanen aufwuchs. Sein Freund Hans-Walter Schmitt, mit dem der Inder an seinem Zweitwohnsitz im hessischen Bad Soden Tür an Tür wohnt, vermag Anands Karriereende jedenfalls noch nicht zu erkennen. „Sein Sohn Akhil wird ihn sicher motivieren, noch viele Jahre sehr hohe Leistung zu bringen. Ohne Krach, Radau und Lärm“, sagt Schmitt.

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