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Sport: Göttin aus Überzeugung

Schwimmerin Therese Alshammar inszeniert sich als Diva – weil sie nicht verletzt werden will

Berlin. Nach ein paar Sekunden hielt die Kamerafrau vom schwedischen Fernsehen auf Therese Alshammars Fingernägel. Die waren leuchtend rot lackiert, ein schönes Motiv. Nur hatte Alshammar leider in diesem Moment ihre Badekappe auf dem Kopf. Sie hatte gerade ihren Vorlauf über 50 Meter Freistil beim Schwimm-Weltcup in Berlin gewonnen, jetzt stand sie neben ihrem Trainer Johann Wallberg und besprach mit ihm ihr Rennen. Aber man konnte ihre Haarfarbe nicht sehen. Bei Alshammar spielt die Haarfarbe eine durchaus wichtige Rolle. Im Moment hat sie ihr Haar pechschwarz gefärbt. Gelb und blau war es auch schon. Wenn Alshammar läuft, dann sieht das oft aus, als schreite sie. Wie eine kleine Hoheit. Die Haare und der Gang passen zu einer Frau, die sich auf den Rücken das Wort „DIVA“ tätowieren ließ. Und die ein paar Zentimeter weiter oben noch ein Tattoo trägt: das Zeichen für „Copyright“. Dieser Körper, will sie damit sagen, ist einmalig.

So redet sie auch so. „Ich bejahe meine Göttlichkeit“, hatte sie mal schwedischen Journalisten mitgeteilt. Dann sagte sie auch noch: „Ich bin eine Schönheit“. Und: „Ich bin eine Diva.“ Das ist die Rolle, die Therese Alshammar aus Stockholm im Schwimmsport spielt. Eine Diva. Eine Göttliche. Seit Jahren besetzt sie diese Rolle. Und seit Jahren macht sie sich damit unbeliebt, nicht aber lächerlich. Ihre Erfolge schützen sie vor Hohn und Spott. Sie ist Olympiazweite über 50 Meter und 100 Meter Freistil von Sydney, sie ist viermalige Kurzbahn-Weltmeisterin über diese Strecken, 13-malige Europameisterin, und sie hält die Kurzbahn-Weltrekorde über 50 Meter und 100 Meter Freistil. In Athen will sie olympisches Gold über 50 Meter Freistil. So jemanden muss man zumindest ernst nehmen.

Jetzt ist sie 26, die Rolle spielt sie immer noch, aber nicht mehr so demonstrativ wie früher. „Ich bin älter und gelassener geworden“, sagt sie. Es war schließlich immer nur eine Rolle für sie, diese Inszenierung als Diva. „Für mich es ist eine Art Überlebensstrategie“, sagt sie. „Ich trage viele Verletzungen in mir.“ Mehr sagt sie nicht. Glen Christiansen sagt ein bisschen mehr. Er war Betreuer der schwedischen Nationalmannschaft, er kennt Therese Alshammar seit vielen Jahren. Christiansen lebt jetzt in Hamburg, die Schwedin wird heute Abend zu ihm fahren. „Therese war früher ein hässliches Entlein, sie trug eine Zahnspange“, sagt Christiansen. Vielleicht sah sie mit 13, 14 Jahren so aus wie die Mädchen, die auf dem Schulhof gehänselt werden. Vielleicht kommt daher ein Teil der Verletzungen.

Wer mit Therese Alshammar allein redet, ohne Kameras in der Nähe, der trifft auf eine nette, freundliche Frau, die sagt, „dass ich keine Lust habe, jedem meine Geschichte zu erzählen“. Sie sei „sehr empfindsam“, sagt Christiansen. „Bei einem Misserfolg braucht sie sofort jemanden, der sie umarmt und ihr Nähe gibt.“

Als Therese Alshammar noch eine talentierte, aber nicht international überragende Schwimmerin war, betreute Christiansens Frau die schwedische Nationalmannschaft als Physiotherapeutin. Sie wollte die schüchterne Therese aufbauen, also sagte sie ihr: „Du bist eine Göttin.“ Als die schwedische Schwimmerin dann später ihre erste internationale Medaille gewann, verkündete sie zur Überraschung aller: „Ich bin eine Göttin und eine Diva.“

Der Spruch entwickelte eine riesige Eigendynamik, und Alshammar ging immer stärker in der Rolle auf. „Da war ich zu selbstverliebt.“ Sie wurde in Magazinen erotisch abgelichtet, ein Magazin ernannte sie zur „sexiesten Frau Schwedens“. Therese Alshammar spielte mit.

Daneben aber wurde sie von ungemeinem Ehrgeiz angetrieben. „Sie konnte nicht damit umgehen, wenn sie nur Zweite oder Dritte wurde“, sagt Christiansen. Die Schwimmerin zog erst nach Hamburg, um dort mehr Ruhe zu haben, dann nach London. Doch dort hatte sie in zweieinhalb Jahren drei Trainer und schlechte Trainingsbedingungen, also kehrte sie zurück nach Stockholm. Seit 1. September trainiert sie in der schwedischen Hauptstadt – auf einer eigenen Bahn, subventioniert von ein paar schwedischen Firmen, ihrem Verein und dem schwedischen Olympiakomitee. Ihre Rolle gibt sie trotzdem nicht auf. Das sagt sie auch. Das kann daran liegen, dass sie immer noch überleben will, das kann aber auch daran liegen, dass ihr diese Rolle schlicht auch Vorteile verschafft. „Sie setzt ihre Ausstrahlung ein, um damit im Restaurant den besten Platz zu erhalten“, sagt Christiansen.

Alshammar bleibt auch in Stockholm die öffentliche Person. „Jeden zweiten Tag stehen Schulkinder bei mir im Training und wollen Autogramme“, sagt die 26-Jährige. Sie unterschreibe gerne, das gehöre dazu. Therese Alshammar kann sehr nett sein. Und natürlich registriert sie, „dass einige Leute über mich tuscheln, aber das ist der Preis für den Ruhm“, sagt sie. Sie sagt wirklich „Ruhm“. Es ist die Wortwahl einer Diva. Es klingt seltsam in einer Phase, in der sie eher angeregt plaudert, als hoheitsvoll zu dozieren. Aber vielleicht kann Therese Alshammar einfach nie ganz aus ihrer Rolle.

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