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Mit dem Schwung für kreative Flugbahnen. Marcel Siem hat inzwischen erkannt, dass er manchmal auch strategisch vorgehen muss.

© AFP

Golf: US Open: Marcel Siem: Der Künstler an der Kelle

Der Profigolfer Marcel Siem ist neben Martin Kaymer der einzige Deutsche bei den US Open. Er startete mit einer 73er Runde.

Er liebt diesen Schlag: „Kelle auf und sehen, wie hoch der Ball geht.“ Ein sogenannter Lobshot, der mit einem Maximum an Spin hoch in die Luft klettert. Einfach so, weil es Spaß macht. „Für mich sieht der Schläger, wenn man ihn aufmacht, schön aus“, sagt Marcel Siem. „Das ist für mich in dem Moment Kunst.“

Marcel Siem, in dieser Woche neben Martin Kaymer der einzige Deutsche bei den US Open, wo er mit einer soliden 73er Runde startete, hat sich früh in den kleinen Golfball verliebt. Als Sechsjähriger, als die Eltern das Restaurant im Golfclub Ratingen führten und er seine Runden zog. „Der Golfplatz war mein Sandkasten“, sagt Siem. „Damals habe ich mir spielerisch viel angeeignet.“

Die Kleinkinder-Spiele von Ratingen sind ewig her, und doch ist es die spielerische Basis von einst, die Marcel Siem heute zu einem Profi macht, der für Aufmerksamkeit sorgt. Geht es darum, den Golfball in bestimmten Bahnen, mit besonders viel Spin, besonders kreativ fliegen zu lassen, ist der Deutsche vorne dabei. Nein, ganz so extrem wie bei seinem amerikanischen Kollegen Bubba Watsom, dem Masters-Champion 2012, der gar nicht in geraden Flugbahnen denken kann, ist es nicht. Aber in mancherlei Hinsicht eben doch vergleichbar.

Siem betritt den Platz und stürzt sich in die Runde. Er sieht das Loch und lässt seine Vorstellung spielen. Komplizierte Schläge schrecken ihn nicht ab, das scheinbar Unmögliche fasziniert ihn seit eh und je. Es ist eine spektakuläre Herangehensweise an das Spiel, eine, die er selbst als „no risk no fun“ charakterisiert. Spitzenprofis wie Phil Mickelson haben sich mit dieser Vorgehensweise in die Herzen der Zuschauer gespielt, Geschichte geschrieben. Nein, mit der geradlinigen, strategischen Herangehensweise eines Luke Donald oder eines Martin Kaymer hat das wenig zu tun.

Wie weit ihn dieses Spiel diese Woche bei der US Open bringen wird, ist schwer abzuschätzen. „Ich schlage sehr gerne mit dem Eisen 3 ab; ich liebe es, den Ball mit dem Holz 3 ein wenig zu cutten“, hat er vor kurzem gesagt. Auf den engen und trickreichen Bahnen von Merion, auf denen es um weit mehr geht als um den langen, geraden Drive, könnte ihm sein enormes Gefühl für den Ball entgegen kommen. Geduld aber, die ebenfalls gefragt ist, zählt laut seiner eigenen Einschätzung nicht zu seinen großen Stärken.

Die Geduld eines Bernhard Langer gepaart mit dem Ballgefühl eines Marcel Siem hätte wohl einen Jahrhundertgolfer ergeben. So aber ist Siem über weite Strecken seiner Karriere den harten Weg gegangen, hat sich oftmals auf dem Platz von seiner Emotionalität hinreißen lassen und Niederlagen kassiert. „Ich habe immer versucht, über jedes Hindernis zu schlagen oder den Ball irgendwie mit Spin vorbei zu spielen,“ weiß er selbst. Inzwischen hat er erkannt, „dass man manchmal strategisch vorgehen muss“.

Die Erkenntnis hat ihn in der Weltrangliste auf Rang 58 vorgeschoben und ihm drei Turniersieg seit Beginn des letzten Jahres bescherte. Siem ist angekommen in der Spitzengruppe jener Golfer, die sich ihre Arbeitswelt einrichten können. Mal die US-PGA-Tour, mal die European Tour. World Golf Championships und Majors – dort, wo es wirklich viele Weltranglistenpunkte und entsprechend viel Preisgeld gibt, ist Siem seit knapp einem Jahr fast zu Hause.

Die letzten Türchen zum innersten Kreis der Elite haben sich noch nicht geöffnet. Am Start bei der US Masters im Augusta National Golf Club ist er im April diesen Jahres denkbar knapp gescheitert. 0,0251 Punkte fehlten am Stichtag für den 50. Platz in der Weltrangliste und die automatische Qualifikation. Siem war enttäuscht, frustriert – und doch, Siem wäre nicht Siem, würde er nicht positiv denken. „Nächstes Jahr bin ich dabei,“ sagte er.

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