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Aus dem Handgelenk. Der 26 Jahre alte US-Amerikaner Webb Simpson erlaubte sich in San Francisco die wenigsten Fehler.

© AFP

Golf - US Open: Doppelbogeys im Nebel

Viele Profigolfer verzweifeln am Platz der US Open - kein Spieler schafft ein Ergebnis von Par oder besser. Am Ende gewinnt mit Webb Simpson ein Außenseiter das zweite Major des Jahres.

Nein, an den Sieg habe Webb Simpson am Sonntag in der Finalrunde der US Open nie gedacht. Dafür hatte er kaum die Muße. „Dieser Platz ist viel zu anstrengend“, sagte der US-Amerikaner. Die Zeit, über seinen möglichen ersten Major-Titel zu sinnieren, blieb ihm erst nach seiner vierten Runde im Olympic Club von San Francisco. Als er den Platz nach einer 68er Runde verließ, führte er das Feld mit 281 Schlägen an. 45 scheinbar endlose Minuten saß Webb Simpson im Klubhaus und verfolgte das Spiel seiner Verfolger im Fernsehen.

Es gab eine Menge zu sehen: Den aggressiven Schlag von Jim Furyk am 16. Loch zum Beispiel, mit dem er den Ball links in den Bäumen versenkte. „Ich wusste eigentlich nicht genau, wo ich den Ball vom Abschlag aus hinspielen sollte“, erklärte der US-Open-Champion des Jahres 2003 den Aussetzer. Das 16. Loch, zu Beginn der Turnierwoche als längstes US-Open-Loch aller Zeiten präpariert, spielte sich am Sonntag fast 100 Meter kürzer – weil die ausrichtende USGA den Abschlag extrem nach vorne verlegt hatte, um den Spielern die Möglichkeit zu geben, das Grün mit dem zweiten Schlag zu attackieren. Für Jim Furyk, der am Sonntag zusammen mit Graeme McDowell als Topfavorit in die Runde gestartet war, blieb der Abschlag an Bahn 16 am Sonntag nur ein Fehler unter vielen. „Ich hatte die Möglichkeit, das Turnier zu gewinnen – aber ich habe es am Schluss eben nicht gut zu Ende gespielt“, lautete das Resümee des Amerikaners, dem schon die Siege bei den US Open 2006 und 2007 durch die Finger geglitten waren.

Weder ihm noch McDowell gelang am 18. Loch das Birdie, das ein Stechen mit Webb Simpson gesichert hätte. „Ich hatte ja eigentlich ohnehin in dieser Woche nicht mein bestes Spiel dabei“, zog der drittplatzierte Nordire als bester Europäer am Ende Bilanz. „Ich weiß aber auch nicht, ob man hier überhaupt sein bestes Spiel spielen kann, weil man vom Golfplatz einen Schlag nach dem anderen verpasst bekommt.“

Tiger Woods verspielt in der Schlussrunde früh alle Chancen

Tatsächlich setzte Webb Simpson mit zwei 68er-Runden an den Schlusstagen Akzente: Kein anderer Spieler blieb zweimal in Folge unter Par. Mit einer erstklassigen 67 hatte sich Lee Westwood Samstagabend noch Hoffnungen auf den Sieg gemacht. Am fünften Loch sah man den Briten dann sonntags mit dem Fernglas auf der Suche nach seinem Ball. Irgendwo in den ausladenden Zweigen einer üppigen Zypresse hatte der sich verfangen. Der seltsame Ballverlust raubte dem Weltranglistendritten jegliche Hoffnung auf den längst fälligen ersten Major-Sieg.

Dass sich einer wie Webb Simpson einen der großen Titel schon holt, kaum dass er begonnen hat, sich in der Welt der komplizierten Major-Plätze zurechtzufinden, mag den Routinier Lee Westwood umso mehr frustrieren. Der 26-jährige Webb Simpson fühlte sich bei seinem fünften Major-Start vor allem von Keegan Bradley inspiriert, der sich 2011 bei seinem ersten Major-Auftritt sofort den Titel bei der US PGA Championship geholt hatte: „Ich hatte irgendwie das Gefühl, wenn Keegan Bradley eines gewonnen hat, will ich auch eines gewinnen.“

Der Weltranglistenfünfte hat bei zwei Turniersiegen 2011 ein gutes Gefühl dafür bekommen, wie man positive Runden bis zum Schluss durchhält. Schon auf der Driving Range fühlte er sich am Sonntag gut, nach Birdies am sechsten, siebten, achten und zehnten Loch hatte sich sein Score auf einen Schlag über Par reduziert. Alles, was er tun musste, war drinzubleiben im Match, keine Fehler machen, ausharren. „Einer der Gedanken, die ich mir auf den hinteren neun Löchern gemacht habe, war, wie Tiger bei all dem Druck 14 solcher Turniere gewinnen konnte“, stöhnte Simpson. Für acht solide Pars reichte das Stehvermögen dann doch noch, während sich Tiger Woods nach einem verkorksten Rundenauftakt mit zwei Bogeys und einem Doppelbogey ans Ende seiner Runde quälte.

Er reihte sich ein in den Kreis der Opfer, die diese US Open hinterließen. So faszinierend schön sich die Löcher in den Nebelschwaden der Bucht von San Francisco mit ihren uralten Bäumen präsentierten, so brutal hart waren die Anforderungen im täglichen Spiel. Sich Tag für Tag an die sonst so seltenen Bogeys und Doppelbogeys zu gewöhnen, wurde für die Profis zur zermürbenden Erfahrung. „Es waren letztlich die hohen Nummern – ich glaube es waren fünf Doppelbogeys – durch die ich am Ende nicht mehr ganz vorne angreifen konnte“, fasste Martin Kaymer sein Spiel gegenüber dem Onlineportal „golf.de“ zusammen, nachdem er das Turnier mit sechs über Par auf dem 15. Rang abgeschlossen hatte. „Die Woche war schon in Ordnung, spielerisch vor allem am Wochenende richtig gut.“ Die Rolle des überragenden Jungstars, die er noch vor eineinhalb Jahren spielte, ist der Deutsche allerdings endgültig los. In der Weltrangliste, in der Kaymer auf Rang 13 geführt wird, haben ihn die jungen Major-Sieger des Jahres 2012, Webb Simpson und Bubba Watson, längst überholt.

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