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Sport: Good Bank, Bad Bank

In der Bundesliga stehen zahlreiche Trainerwechsel an. Anlass genug, die Arbeitsplätze der Fußballlehrer einmal genau unter die Lupe zu nehmen. Denn Bank ist nicht gleich Bank

DER KOMFORT

Fußball und schnelle Autos, eine innige Verbindung. Weil das Trainermetier ebenso rasant ist wie ein hochgezüchteter Sportwagen, sitzt die halbe Liga auf Leder aus dem Hause Recaro, das jedem Tuner ein Begriff ist. Von Hamburg bis Freiburg, von Dortmund bis Hannover, die schwäbischen Schalensitze gehören zum festen Inventar des deutschen Fußballs. Doch es geht auch noch schnittiger. Bei Werder Bremen ließ man sich die Vereinsmaxime des Turbofußballs auch an die Seitenlinie schrauben. Die exklusiven „Cobra Seats“ der Ausführung „Le Mans“ finden sich sonst nur in englischen Sportwagen. Und an der Seitenlinie im „Old Trafford“, was wiederum ein klares Bekenntnis der Werder-Verantwortlichen zu Trainer Schaaf bedeutet, der seit 1999 im Amt ist. Denn bei Manchester United gibt es ja bekanntlich mit Sir Alex Ferguson seit sogar 25 Jahren ein und denselben Coach.

Deutlich biederer geht es dagegen im Rheinland zu. Frank Schaefer, beim 1. FC Köln bereits der zwölfte Trainer in zehn Jahren, verfolgt die Spiele auf einem beweglichen weißen Gartenmöbel. Das hat wiederum durchaus Tradition. Horst Ehrmanntraut führte den Plastikstuhl einst zum Ruhm. Praktisch: Kann bei der Entlassung einfach unter den Arm geklemmt und zum nächsten Arbeitsplatz mitgenommen werden. Im Hamburger Stadtteil St. Pauli ist Fußball ebenfalls noch harte Fron, weswegen die Trainer auf einer klapprigen Holzbank ohne Rückenlehne Platz nehmen, während die Ersatzspieler in windschnittigen Ledersesseln lümmeln. Nur zum Stadtderby gegen den HSV im September bekam auch Holger Stanislawski den Lohn für 17 Jahre Vereinstreue und durfte auf einem erhöhten Sponsorenthron Platz nehmen. Ganz in Leder. Also der Sessel.

DAS BETRIEBSKLIMA

Ausgerechnet Öko-Klub SC Freiburg, der seit Jahrzehnten das schonendste Trainerbiotop der Liga pflegt, pustet pro Saison mehrere Kilowattstunden Heizwärme in die Atmosphäre. Chefcoach Robin Dutt weiß auch an den kältesten Wintertagen die wohlige Sitzheizung unter sich. Kein Wunder bei dieser Nestwärme, dass Dutt seit 1991 erst der zweite Trainer der Breisgauer ist. Überhaupt schwört die Mehrheit der Bundesligisten auf künstlich erwärmte Sitze. (Die Ausnahmen TSG Hoffenheim und VfB Stuttgart liegen bekanntermaßen in einer der wärmsten Regionen Deutschlands.)

Im hohen Norden aber bläst ein rauerer Wind. Werder Bremens Trainer Thomas Schaaf sitzt daher auf einer zweistufig regulierbaren Heizung. Je eine Einstellung gibt es für „Champions League“ und „Abstiegskampf“ – was zur Folge hat, dass sich das Binnenklima in Bremen auch in der Krise nie merklich ändert. Beim chronisch klammen 1. FC Kaiserslautern sparen die Verantwortlichen dagegen ein paar Euro ein, indem sie den mitgelieferten Wärmespender schlichtweg vom Netz lassen. Ein klimaschonendes Konzept, das sich nach außen bestens verkaufen lässt. Cheftrainer Marco Kurz sitzt auch im übertragenen Sinne nicht auf dem Feuerstuhl und ist ohnehin während der 90 Minuten meist in seiner Coaching-Zone unterwegs.

DIE HACKORDNUNG

Volksnähe kannte der Mann nicht: Bis Mittwoch saß Felix Magath noch auf dem edlen Dreisitzer – in unmittelbarer Nähe nur zu seinen Assistenten Bernd Hollerbach und Seppo Eichkorn und in sicherem Abstand zu den vielen ihm selbst unbekannten Spielern und den viel zu zahlreichen und erratischen Fans auf den Rängen. Wie der neue Trainer Ralf Rangnick mit dem Triumviratssessel umgehen wird, bleibt abzuwarten.

Ein heikles Thema ist der Sitzplatz des Managers: Bank oder Tribüne? Gladbachs Sportdirektor Max Eberl ist der klassische Bankdrücker. Beim Hamburger SV sagt man Sportchef Bastian Reinhardt ein beschränktes Mitspracherecht in sportlichen Fragen nach, vielleicht sitzt er vor allem zur Zerstreuung dieser Gerüchte mit am Seitenrand. Mit Michael Oenning hockt sich nun schon der siebte Cheftrainer auf das 2006 installierte Pulverfass.

Auf internationalem Parkett angekommen ist man längst in Dortmund, wo Jürgen Klopp und sein Team auf einem schicken Zweireiher Platz nehmen. Mit Spannung erwartet wird, ob der notorisch nachlässig gekleidete Borussen-Trainer bei den Champions-League-Partien im kommenden Jahr auch mal im feinen Zwirn zu sehen sein wird. Dresscode hin, Dresscode her. Dortmund bleibt basisorientiert und Klopp sitzt fest im Sessel.

DIE KLUBPHILOSOPHIE

Vereinswappen oder Werbebanner: Auch an der Trainerbank kann man ablesen, wie es um die Moral des Klubs bestellt ist. In Mönchengladbach möchte man trotz bereits vollzogener Trainerentlassung die Fernfahrer-Metapher bemühen – und bangt deshalb auf LKW-Sitzen um den Klassenerhalt. Der vor kurzem entlassene Michael Frontzeck glich zum Ende hin sowieso immer mehr einem grimmigen Trucker, der schon seit Stunden den piependen Fahrtenzähler ignoriert. Das Vereinswappen findet man auf der Gladbacher Bank vergeblich, dafür das grellgelbe Logo von Hauptsponsor Postbank. Frei nach dem Motto: Geld essen Seele auf.

Auf Schalke dagegen weiß schon lange niemand mehr, für was der Verein steht. Weshalb man wohl auch von Aufdrucken auf den dunkelblauen Ledersitzen absieht. Lediglich bei internationalen Partien prangt das Schlagwort „Respect“ über der Bank. In Anbetracht der aktuellen Schmierenkomödie der blanke Hohn. Der VW-Klub aus Wolfsburg hat sich die Trainerbank dagegen wenig überraschend von einem Autozulieferer sponsern lassen. Dessen Produkte werden wiederum zu einem Viertel abgenommen von VW. Fußball als Wirtschaftsverstrickung.

Belebende Frische auf wie neben dem Platz – das ist das Konzept von Jungtrainer Thomas Tuchel beim FSV Mainz. Passend dazu prangt der Schriftzug eines Mineralwasserherstellers über den Sitzplätzen der Mainzer Profis – es soll Vitalität wecken. Beim FC St. Pauli beschwört man dagegen die leistungsfördernde Wirkung eines lokalen Bieres und eines Spezi-Herstellers.

Oft geben Details viel Auskunft über die Mentalität der Vereinsbosse. Dass er seinen Vertrag beim FC Bayern München nicht erfüllen darf, hätte sich Louis van Gaal vorher denken können. Schließlich nahm er in der Münchner Arena (wie auch Betreuerstab und Spieler) auf einem ausrangierten Sitz der Lufthansa Platz. Nur Fliegen ist schöner.

Der 1. FC Nürnberg schließlich ist der beste Gastgeber. Er beklebt die Plätze des Gästekaders nämlich zu jedem Spiel neu mit dem gegnerischen Wappen. Mit Erfolg: Denn mit dieser Einlullungstaktik hat Coach Dieter Hecking schon neun Heimsiege errungen.

DIE TRANSPARENZ

Weil die Branche unerbittlich ist, lässt sich der Bundesligatrainer ungern in die Karten schauen. In der Regel werden dazu die Plexiglas-Überdachungen über dem Arbeitsplatz großflächig mit Werbestickern zugepflastert. In Freiburg verschanzt sich Robin Dutt unter einem undurchdringlichen Alu-Dach. Er will sich wohl beim anstehenden Wechselpoker nicht in die Karten schauen lassen.

Doch wenn’s so richtig läuft, dann hört auch irgendwann der Argwohn auf. Nürnbergs Trainer Dieter Hecking, derzeit mit seinem Team sensationell auf Rang sechs, kann sich seines Platzes an der Sonne sicher sein. Denn das ohnehin durchsichtige Dach hat zusätzlich eine Cabrio-Funktion und kann gänzlich zurückgefahren werden.

Den Schalkern ist dagegen der Himmel längst auf den Kopf gefallen, weswegen in der bei schlechtem Wetter vollüberdachten Arena auf eine zusätzliche Überdachung über der Trainerbank verzichtet wird. In Kaiserslautern wiederum macht man sich bei Ligaspielen nicht größer, als man ist. Die Bank schmiegt sich regelrecht an die Ränge. Zum Länderspiel gegen Kasachstan kommende Woche installiert der DFB für Jogi Löw und seinen Hofstaat aber eine ungleich pompösere Trainerbank. Mit der Folge, dass die ersten beiden Reihen der angrenzenden Nordtribüne dann unter dem Hinweis „eingeschränkte Sicht“ geführt werden. Egal, Hauptsache, wir werden Europameister.

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