zum Hauptinhalt

Sport: Grätsche mit Folgen

Ein Hobbyfußballer muss 50 000 Euro für ein Foul zahlen – droht dem Amateursport eine Klagewelle?

Berlin - Ab Freitag ist es wieder so weit. Auf Berliner Plätzen werden weit über 5000 Amateurfußballer ihrem Hobby nachgehen, mehr als 250 Spiele gilt es von der Berlin-Liga bis hinunter zur Kreisklasse zu absolvieren. Gut möglich, dass einige Spieler an diesem Wochenende nicht mehr so unbefangen drauflos spielen wie noch vor sieben Tagen.

Am Montag bestätigte das Oberlandesgerichts Hamm per Richterspruch in zweiter Instanz ein früheres Urteil des Landgerichts Dortmund, wonach ein Amateur-Fußballer 50 000 Euro Schmerzensgeld an seinen Gegenspieler zahlen muss, weil er diesen durch ein rüdes Foul bei einem Kreisligaspiel im April 2010 schwer verletzt hatte. Der Gefoulte kann seinen Beruf als Maler und Lackierer bis heute nicht mehr ausüben. Das Gericht begründete sein Urteil damit, dass der Beschuldigte „den zur Verletzung des Klägers führenden Zweikampf ohne jede Rücksicht auf die Gefahr und die Folgen seines Einsteigens für den Gegner geführt“ habe. Sprich: Er habe vorsätzlich gehandelt und hätte sich der Folgen bewusst sein müssen.

Karl Rothmund, der Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) befürchtet nun „Auswirkungen für den ganzen Fußball. Aber es betrifft natürlich besonders den Amateurbereich und die Schiedsrichter.“

Dahinter steckt die Angst vor einer Klagewelle unter Hobbyspielern. Fouls könnten in Zukunft zivil- oder gar strafrechtliche Prozesse nach sich ziehen und den Amateurfußball in seiner jetzigen Form gefährden. Auch andere Sportarten, bei denen es zu Körperkontakt kommt, wären betroffen. „Wenn solche Sachen Schule machen, wäre das der Tod für den Fußball“, sagt Jürgen Pufahl, Präsidiumsmitglied beim Berliner Fußballverband (BFV) und dort für Recht und Satzung zuständig. Problematisch findet er an dem Urteil vor allem, „dass dem Fußball in seinem Naturell als Kampfsport nicht Genüge getan wurde. Beim Fußball passieren Verletzungen. Nur: Wo zieht man die Grenze? Wo beginnt der Vorsatz und wo ist es einfach nur Pech?“, fragt Pufahl.

Laut Pufahl kommt es im Laufe einer Saison auch in Berlin zu Klagen nach Foulspielen, allerdings mit überschaubaren Strafen. „Das Strafmaß von Hamm ist in seiner Größenordnung ein Novum“, sagt er. Pufahl befürchtet, dass nun Leute denken, „sie könnten Geld aus einer solchen Sache ziehen“. Klagen im Amateurbereich sind keine Seltenheit, in der Regel beschäftigen sich aber die zuständigen Sportgerichte der jeweiligen Verbände mit den Verstößen. Auch bei den Profis wird manchmal geklagt. Der Bochumer Matias Concha forderte 200 000 Schadensersatz von Union Berlins damaligem Spieler Macchambes Younga-Mouhani, weil er sich bei einem Zweikampf schwer verletzt hatte. Das Berliner Landgericht wies Conchas Klage allerdings ab.

Der Berliner Rechtsanwalt Steffen Lask, der sich unter anderem mit Sportrecht beschäftigt, begrüßt den Gang vor ein ordentliches Gericht. „Ein Foul ab einer bestimmten Größenordnung hat einfach nichts mehr mit dem normalen Risiko zu tun. Wenn es einem Spieler nur darum geht, den Gegner zu verletzen, sollte der Staat eingreifen“, sagt Lask. Die Gefahr einer Klagewelle sieht er nicht. „Ein ordentliches Gericht wird sich immer an die Regeln des jeweiligen Sportes halten. Bei anderen Fällen würde sicher nicht so entschieden werden wie in Hamm“, sagt Lask.

Allein darauf würde sich Jürgen Pufahl nicht verlassen. „Was ist, wenn ein Spieler einen guten Anwalt hat und ein anderer einen schlechten? Dann kann man sich den Ausgang ausrechnen.“ Deshalb rät er jedem Sportler, nicht nur Fußballern, zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung. Auch wenn diese später nicht bei bewiesen vorsätzlichem Handeln schützt. Amateurfußballer sind über ihre Vereine meist nur unfallversichert, schon deshalb könne eine Haftpflichtversicherung nicht schaden. Unbefangener lässt sich damit auf jeden Fall spielen. Sebastian Stier

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false