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Sport: Große Halle, große Träume

Handball und Eishockey sollen den vierstöckigen Neubau in Hamburg füllen

Hamburg. Zwanzig Jahre haben die Hamburger auf Phil Collins verzichten müssen. Noch länger auf Erstliga-Handball und überhaupt immer auf vorzeigbares Eishockey - das waren, wie wohl auf der Hand liegt, harte und entbehrungsreiche Jahre. In diesen Tagen wird es förmlich niederprasseln auf die Bewohner der zweitgrößten deutschen Stadt: Gestern Abend eröffnete der Mainstream-Popper Collins die neue „Color Line Arena“ mit ihren rund 15 000 Plätzen, Sonntag treffen die Handballer vom HSV - ehedem VfL Bad Schwartau - auf Wallau-Massenheim, Dienstag die Hamburg Freezers - vormals München Barons - auf die Kölner Haie. „Endlich müssen die Stars um Hamburg keinen Bogen mehr machen“, verkündet Uwe Frommhold, der Geschäftsführer der Arena. Als früherer Chef des Hotels „Atlantic“ weiß Frommhold zwar, das die Stars zu anderen Zwecken gern vorbeikamen, nur eben nicht zu Veranstaltungen.

Die Redewendung vom „großen Bogen“ gehört seit mehreren Dekaden zum Standard aller Reden von Politik und Wirtschaft, wobei ein Aspekt für die Hanseaten besonders schmerzlich war: Der Bogen berührte nämlich aus ihrer Sicht zweitrangige Orte wie Kiel, Bremen oder Hannover, die alle über geeignetere Hallen verfügten. Und während die Hamburger erbittert über Konzepte, Standorte und politische Unterstützung sowie über ihr drohendes Absinken zur Provinz räsonnierten, entstanden in Oberhausen, Köln oder - gleich mehrfach - Berlin scheinbar mühelos Arenen des modernen, „multifunktionalen“ Typs. Jetzt ist die Lücke, für 80 Millionen Euro in nur 16 Monaten, geschlossen; der Anschluß ans Weltniveau hergestellt - und das Erwachen steht womöglich erst noch bevor.

Denn ob die Arena mit geplanten 120 Terminen pro Jahr wirtschaftlich betrieben werden kann, hängt etwa zur Hälfte von der Sportbegeisterung der manchmal als spröde geltenden Hamburger ab. Und davon, ob eine radikale Verpflanzung nach US-Vorbild akzeptiert wird: während die Handballer nur einige Dutzend Kilometer umzogen, wurde das Eishockey-Unternehmen mit allem drum und dran von München nach Hamburg umgesetzt. Das Gemeinschaftsunternehmen des finnischen Hallenbauer Harry Harkimo und amerikanischen Sportunternehmers Phil Anschutz hat notgedrungen eine zermürbende Serie von Auswärtsspielen (12 Niederlagen drei Siege) hinter sich.

„Jetzt stürzen wir von einem Extrem ins andere“, sagt Geschäftsführer Boris Capla. Die Heimspiele häufen sich, „und wir dürfen nicht klagen, wenn auch mal nur 1500 Zuschauer da sind.“ Längerfristig haben die Marketing-Fachleute 6000 im Schnitt errechnet. Wie auch immer: Schon als Barons in München waren die Eis-Söldner nicht eben beliebt, sind also Kummer gewohnt. „Das sind auch nur Menschen“, sagt Capla, „die brauchen Unterstützung und eine Heimat.“ Eine Fan-Kultur und das Gefühl von Tradition werde man ihnen mit der Zeit schon beibringen, zumal das Team das Format für einen Play-off-Platz hat. Eine langen Atem verspricht Capla, das gleiche versichert auch der Hallenbauer Harkimo: „Früher oder später werden uns die Hamburger lieben.“

Die Halle als zugkräftiger Star - darauf hoffen besonders die HSV-Handballer. Denn bislang verirrten sich selten mehr als 2400 Fans zu den Bundesliga-Spielen. Knapp die Hälfte davon wurden sogar mit Freikarten geködert. Doch das soll sich mit dem vierstöckigen Neubau ändern. Nimmt man die fast frische „AOL-Arena“ vom HSV nebenan zum Vorbild, könnte es sogar klappen: Dort finden sich trotz dürftigster Darbietung selten weniger als 35 000 Zuschauer ein. Beide Anlagen teilen modernstes Ambiente und die Strategie, jeden Quadratzentimeter Werbefläche meistbietend zu verkaufen.

Scheinbar funktioniert das Angebot draußen im Hamburger Volkspark als Erlebnis für sich. Die 16 Imbisse in der „Color Line Arena“ heißen übrigens „Fast food outlets“ - da muss man ja fast zugreifen.

Raim, Witkop

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