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Sport: Große Reaktion

Die Nationalelf muss sich ohne Ballack beweisen

Wer Michael Ballack sehen will, muss Werbung gucken. Diese Botschaft verbreitete sich schnell unter den chinesischen Journalisten, die in Hamburg immer wieder Michael Ballack in einem Werbespot für eine Fastfood-Kette sahen. Anderswo werden sie ihn auch nicht zu Gesicht bekommen. Heute Abend trifft Chinas Fußball-Nationalmannschaft in der AOL- Arena auf den WM-Gastgeber Deutschland (20.30 Uhr, live in der ARD), der erneut ohne seinen Mannschaftskapitän auskommen muss.

Zwar war das deutsche Team ohne seinen Kapitän gegen die Türkei erschreckend schwach, doch nach der harschen Kritik an den Spielern, ohne Ballack nichts zu leisten, haben sich diese „sehr viel vorgenommen. Wir haben einiges gutzumachen“, sagt Bundestrainer Jürgen Klinsmann. Oliver Kahn fordert „eine große Reaktion“. Unter groß versteht der Torwart „Wiedergutmachung auf der ganzen Linie“. Dazu gehört, den Nachweis zu erbringen, dass sich die Mannschaft ein Stück von Ballack emanzipiert hat. Klinsmanns Assistent Joachim Löw fordert: „Wir müssen in der Lage sein, auch ohne Ballack ein gutes Spiel zu machen.“ Ohne den Spielmacher trotzte die deutsche Mannschaft Argentinien im Frühjahr und beim Confed-Cup jeweils ein 2:2 ab. Der jüngste Versuch in Istanbul aber ging daneben. Es war keiner auf dem Platz, der Kommandos gegeben, den Rhythmus bestimmt oder den Versuch unternommen hat, das Spiel in den Griff zu kriegen. Es fehlte an Elan, Entschlossenheit und an der nötigen Körpersprache, wie der Trainerstab monierte. „Emotional waren wir nicht vorhanden“, sagt Löw.

„Man darf nicht den Fehler machen und einen Spieler bestimmen, der Michaels Rolle einnehmen soll“, sagt Miroslav Klose. Im Spiel gegen die Türken war die Aufgabe Tim Borowski angetragen worden. Er scheiterte, auch weil ihm die Unterstützung von Spielern wie Torsten Frings und Bernd Schneider versagt blieb. „Wir sind noch auf der Suche nach einer Lösung“, sagt Klose, denn ein solcher Fall könne auch bei der WM eintreten. Kahn erinnert sich an das Turnier 1998 in Frankreich. Damals hatte Zinedine Zidane den Franzosen nach einer Roten Karte zwei Spiele lang gefehlt. „Da hat sich gezeigt, wie wichtig ist es, einen solchen Topspieler ersetzen zu können.“ Frankreich erreichte ohne seinen besten Spieler das Finale, in dem Zidane seine Elf zum Titel schoss. „Kurzfristig können wir Michaels Fehlen vielleicht auffangen“, sagt Kahn, „aber er ist ja bald wieder dabei.“ Mit anderen Worten: Eine Lösung ist nicht in Sicht.

Das war sie schon zu Rudi Völlers Zeiten nicht. Der Lieblingssatz des damaligen Teamchefs vor der WM 2002 lautete: „Alles kann passieren, nur Ballack darf nicht ausfallen.“ Der Ausgang ist bekannt. Ballack schoss Deutschland ins Finale, das die Elf aber verlor – ohne ihn.

Wie aber kann ein optimales Spiel ohne Ballack aussehen? „Wir müssen die Aufgaben und die Verantwortung auf viele Schultern verteilen“, sagt Löw, „so ein charismatischer Spieler ist nicht ersetzbar.“ Ballack besitze herausragende Qualitäten, „die uns fehlen“. Die anderen Spieler müssten verstehen, dass es eine Chance sei, diese Vakanz auf dem Platz zu füllen.

Vor dem heutigen Spiel machen sich die Deutschen Mut. Auch Ballack habe schon Spiele abgeliefert, in denen er nicht glänzte. Aber seine physische Präsenz allein war ein Zeichen für seine Mitspieler. „Jetzt müssen wir erfahrenen Spieler vorangehen“, sagt Klose. „Die jungen Spieler müssen sehen: Guckt mal, wie der sich in die Zweikämpfe haut, wie der das Spiel unbedingt gewinnen will.“

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