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Bluffen mit Figuren. Alexander Grischuk soll beim Pokern viel Geld verdient haben, im Schach gilt er als faules Genie. Foto: dpa

© picture-alliance/ dpa

Sport: Grübeln mit Niveau

Gelfand und Grischuk ermitteln ab heute den Herausforderer des Schachweltmeisters Anand

Berlin - Boris Gelfand oder Alexander Grischuk – der nächste Herausforderer von Schachweltmeister Viswanathan Anand wird in jedem Fall einer, mit dem vorher kaum jemand rechnete. Gelfand und Grischuk, übrig geblieben von ursprünglich acht Topgroßmeistern, bestreiten von Donnerstag an das Kandidatenfinale in Kasan, Russland, wo schon seit zwei Wochen auf hohem Niveau gegrübelt wird. Allerdings dominierte in den Zweikämpfen bislang die Kunst der Verteidigung, was zu einer Remisquote von über 90 Prozent führte. Folglich mussten sowohl in den Viertel- als auch in den Halbfinals mehrfach Stechen mit kürzerer Bedenkzeit über das Weiterkommen entscheiden. Und auf diese Weise scheiterten letztlich auch zwei namhafte Favoriten: Levon Aronjan und Wladimir Kramnik.

Vor allem Aronjan, dem in Berlin lebenden Armenier, waren Titelchancen zugetraut worden, zumal er gegen Weltmeister Anand aus den letzten zehn Turnierpartien 7:3 Punkte geholt hatte. In Kasan verlor Aronjan jedoch gegen Grischuk, und er rätselt immer noch über die Gründe. „Ich habe gewonnene Stellungen diesmal nicht so gut behandelt“, sagte Aronjan gestern. „Wahrscheinlich verfolgte mich innerlich noch die erste Partie, in der ein leichter Sieg einige Male verdorben wurde.“

Im Hinblick auf das heute beginnende Kandidatenfinale sind Aronjans Sympathien klar verteilt. „Ich werde zu Boris halten. Erstens, weil er mein Freund ist, und zweitens, weil er einer der Jungs aus Anands Generation ist, der als Spieler nie die Anerkennung bekommen hat, die er verdient.“ Einen WM-Kampf hat Boris Gelfand tatsächlich noch nie gespielt, obwohl er schon seit zwanzig Jahren zur Weltspitze gehört.

Der aus Weißrussland stammende Israeli gilt als tiefgründiger Stratege, der immer mit vollem Körpereinsatz am Brett arbeitet. Zumindest lässt sich am leuchtenden Rot seines Kopfes erahnen, wie viel Leidenschaft er in seine Züge legt. In Kasan besiegte der 42-Jährige zunächst Schachrijar Mamedjarow, Topgroßmeister aus Aserbaidschan, und anschließend den US-Meister Gata Kamsky, diesen allerdings erst im Blitzen. „Das Stechen war voller Fehler von beiden Seiten. Ich hatte das Glück auf meiner Seite“, sagte Gelfand.

Alexander Grischuk hatte noch schwierigere Aufgaben zu lösen. Unter den Weltbesten wird seine Spielkunst hoch geschätzt, aber der 27-jährige Moskauer gilt auch als faules Genie. Statt intensiv an seinen Eröffnungen zu feilen, verbrachte er viel Zeit mit Pokern, was ihm einen beträchtlichen Wohlstand ermöglicht haben soll. In Kasan bezwang Grischuk nach Aronjan auch Wladimir Kramnik, den Weltmeister von 2000 bis 2007, im Stile eines Pokerspielers, mit einer verblüffend ökonomischen Match-Strategie: Als Weißer verzichtete Grischuk auf das übliche Vorteilsstreben und bot stets schnell Remis an; als Schwarzer versuchte er mit all seiner Verteidigungskunst zu überleben. Welch begnadeter Blitzspieler Grischuk ist, bekam Kramnik dann wirklich zu spüren.

Im Finale aber sind vor dem Stechen sechs Partien mit langer Bedenkzeit angesetzt.

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