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Sport: Grün, gut und oben

Mit bisher ungeahntem Mannschaftsgeist richtet sich der VfL Wolfsburg an der Tabellenspitze ein

Fußball in Wolfsburg, das ist ein Erlebnis der genügsamen Art. Jens Elbeshausen vom VfL-Fanclub „Volle Tüte“ hat im Vereinsheft „Grün und Gut“ auf die Frage, warum er eine Dauerkarte besitzt, geantwortet: „Weil ich es gerne bequem habe. Top-Zuschläge und Heimspiele neben Bayern-Fans bleiben mir weitestgehend erspart.“ Dinge wie Drama, Herzblut oder Leidenschaft sind dem Anhänger aus dem östlichen Niedersachsen doch eher fremd, in Wolfsburg wird Fußball nicht gelebt wie in Dortmund, Schalke oder Kaiserslautern. Man trifft sich im „Soccer Cafe“, um pünktlich zum Anpfiff im Stadion zu sein.

Bislang war das angemessen, denn der VfL Wolfsburg hat seine bescheidene Rolle perfekt gespielt und sich irgendwo im Mittelfeld der Bundesliga versteckt, in Bereichen also, wo keine Tränen des Glücks oder des Schmerzes vergossen werden. Das hat sich in dieser Spielzeit geändert: Wolfsburg ist Tabellenführer, ein Umstand, der nicht nur in Fußball-Deutschland, sondern auch in der VW-Stadt selbst mit solch gesteigerter Verwunderung registriert wird, dass der Verein zur Zeit wöchentlich neue Spitzenreiter-T-Shirts auflegt, auf denen die gerade aktuelle Tabelle abgedruckt ist.

Sieben Spieltage sind gespielt und sechsmal hat der VfL gewonnen. Am Samstag gab es einen 2:1 (2:1)-Erfolg über den Borussia Mönchengladbach, und immerhin fast 27 000 Fans interessierten sich dieses Spiel. Das waren 9000 mehr als beim Heimspiel gegen Kaiserslautern. Mit 30 000 Zuschauern ist die Volkswagen Arena ausverkauft.

Allerdings: Glanzvoll war es nicht, was die Gastgeber ihrer gewachsenen Anhängerschaft boten. „Wir müssen zugeben, dass Gladbach heute den besseren Fußball gespielt hat“, sagte Trainer Erik Gerets. Doch weil „wir im Moment das Glück eines Tabellenführers haben“, wie Nationalstürmer Thomas Brdaric freimütig einräumte, und die Wolfsburger „bis zum Umfallen gekämpft haben“ (Gerets), gab es nach Toren des überragenden Argentiniers Andrés D’Alessandro und Stefan Schnoor bei zwischenzeitlichen Ausgleich durch Oliver Neuville einen weiteren Erfolg.

Das ist die neue Qualität der Wolfsburger, die seit jeher gute Einzelspieler aufbieten konnten, jedoch nie durch mannschaftliche Geschlossenheit glänzten. Für die hat Gerets gesorgt. Der Belgier hat sich mit seiner ebenso bärbeißigen wie verbindlichen Art eine erstaunlich gefestigte Position erarbeitet. Nachdem seine Mannschaft aus dem Pokal flog, weil der gesperrte Marian Hristow eingesetzt wurde, und darüber ganz Fußball-Deutschland lachte, musste Manager Peter Pander gehen.

Gerets blieb und feilte an seiner Truppe, die mit gesteigerter Laufbereitschaft und taktischer Disziplin die spielerischen Defizite kompensiert. Für Glanz sorgt allein D’Alessandro, der alle Freiheiten genießt, weil Gerets dem Rest seiner Mannschaft vermittelt hat, dass auch sie davon profitiert, wenn sie für den kleinen Künstler mitgrätscht. Das Problem ist nur, dass der Regisseur langsam aber sicher an seine Grenzen stößt.

D’Alessandro half tatkräftig mit, als Argentiniens Fußballer in Athen olympisches Gold holten, um dann ohne Pause in die Bundesligasaison einzusteigen. Gegen Gladbach war D’Alessandros Einsatz aufgrund von Leistenproblemen bis kurz vor Spielbeginn fraglich. In der Halbzeit wollte er raus, doch Gerets befahl: „Gib noch zehn Minuten alles.“ Der Argentinier nahm den Satz „mehr als sauer“ zur Kenntnis. Er hielt sogar bis zum Schluss durch. Dann jettete er zu seinem Nationalteam. Das bestreitet WM-Qualifikationsspiele. Und Gerets sagte bloß: „Ich kann ihn nicht aufhalten.“

Aber noch geht alles gut. Und es scheint, als hätten sich die Wolfsburger eingerichtet in der Nische eines Tabellenführers, den in München, Bremen und Stuttgart niemand so richtig ernst nimmt. Dem VfL kann das nur Recht sein. Stürmer Thomas Brdaric sagt: „Wir können noch mehr.“

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