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Sport: Grundsätzlich traurig

Die deutschen Eisschnellläuferinnen bleiben über 3000 Meter ohne Medaille

Wie groß die Enttäuschung war, konnte selbst Anni Friesinger, die grundsätzlich fröhliche Bayerin, für einen Moment nicht verbergen. Nach ihrem Zieleinlauf schüttelte sie den Kopf, das Lächeln kam nur gequält über die Lippen: Was für eine Niederlage. Ihre große deutsche Konkurrentin, Titelverteidigerin Claudia Pechstein, hatte die 29-Jährige im olympischen 3000-m-Lauf von Turin zwar geschlagen. Doch es half ihr nichts: Friesinger wurde in 4:04,59 Minuten Vierte, Pechstein in 4:05,54 gar nur Fünfte. Ein historisches Debakel. Zum letzten Mal hatten deutsche Läuferinnen 1972 in Sapporo über 3000 Meter keine Olympia- Medaille gewonnen.

Einen Doppelsieg durften dagegen die holländischen Zuschauer in der olympischen Eisschnelllauf-Arena „Oval Lingotto“ bejubeln. Gold gewann die 19-jährige Ireen Wüst (4:02,43) vor der zehn Jahre älteren Renate Groenewold (4:03,48). Die Bronzemedaille ging an Weltmeisterin und Weltrekordlerin Cindy Klassen – eine weitere geschlagene Favoritin. Der Kanadierin, in diesem Winter überragende 3000-Meter-Läuferin war ebenso die Kraft ausgegangen wie den beiden Deutschen. In der letzten Kurve wäre Klassen vor Erschöpfung sogar fast ins Straucheln geraten.

Es gibt Tage, an denen es einfach nicht läuft, und einen solchen erwischte auch Pechstein. Ihr fehlte es an Dynamik, sie wirkte ungewohnt schwerfällig. „Meine Beine waren schwer, die Lunge tat weh. Ich habe alles gegeben. Mehr war nicht drin“, sagte die Berlinerin. Und Friesinger stellte fest: „Es lief nicht so wie im Training. Es war ein bisschen wärmer als am Vormittag. Darauf muss ich mich einstellen.“ Bis zur vorletzten Runde war sie immerhin auf Silber-Kurs gelaufen. Auf den letzten 500 Metern brach sie jedoch ein. Das in Turin kursierende Gerücht von angeblichen neuen holländischen Wunderschlittschuhen erklärte Friesinger für haltlos. „Ich habe gute Kontakte zu den Holländern. Die Frauen fahren auf keinen Fall auf neuen Schlittschuhen. Am Material hat es nicht gelegen.“ Friesinger muss es wissen, schließlich ist sie seit einiger Zeit mit dem Holländer Ids Postma liiert.

Olympiasiegerin Wüst war einfach frischer und kraftvoller gelaufen. Vor allen Favoritinnen war sie gestartet. Sie ging das Rennen sehr schnell und couragiert an – und sie hatte Kraft bis zum Ende. Es war ihr erster großer Sieg überhaupt. Entsprechend fassungslos war die Nachwuchs-Athletin: „Das kann doch alles gar nicht wahr sein“, sagte sie. In der Saison- Rangliste über 3000 Meter, die Klassen vor Friesinger und Pechstein anführt, liegt Wüst an 14. Stelle. Bei der Mehrkampf-Europameisterschaft im Januar hatte sie den dritten Rang belegt. „Ich hatte Ireen auf der Rechnung. Sie ist ja nicht aus einer Kiste gekrabbelt. Dass sie Gold gewonnen hat, ist aber schon eine Überraschung“, sagte Pechstein.

Immerhin konnte die 33 Jahre alte Berlinerin bald wieder ein bisschen lächeln. „Es kommen ja noch Rennen“, erklärte sie. Das nächste, an dem Freisinger und Pechstein gemeinsam teilnehmen, ist am Mittwoch und Donnerstag der Teamwettbewerb, der zum ersten Mal überhaupt bei Olympischen Winterspielen ausgetragen wird. „Ich freue mich darauf“, sagte Friesinger. „Da sind die Holländerinnen jetzt Favoritinnen.“ Und falls dem deutschen Team nichts gelingen sollte, wüsste Friesinger auch damit umzugehen: „Geteiltes Leid ist halbes Leid.“

Christiane Mitatselis[Turin]

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