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Sport: Gut gesprungen, schlecht gelandet

Ludger Beerbaum ist der beste Reiter, patzt aber oft, wenn es wirklich wichtig wird

Berlin. Ludger Beerbaum stand hilflos inmitten von Stangen und Blumenkübeln und erinnerte sich ungläubig an den Fehler, den sein Pferd Gladdys Sekunden zuvor begangen hatte. Die Stute hatte einen ihrer seltenen Aussetzer und brachte den deutschen Springreiter damit um den letzten fehlenden Titel in seiner Sammlung: den Weltmeistertitel in der Einzelkonkurrenz.

Eigentlich ist der dominierende Springreiter der vergangenen Jahre selten um eine Antwort verlegen. Nicht selten kritisiert er Missstände im Springreiten. So kritisierte er die Bedingungen beim CHI Berlin, was letztlich dazu führte, dass die Organisatoren vom Velodrom auf das Messegelände umzogen. Natürlich wusste er dabei, dass ihn ohnehin jeder Veranstalter als Zugpferd für sein Turnier benötigt. Doch nach dem Sturz bei den Weltreiterspielen in Jerez kritisierte er ausnahmsweise nur sich selbst: „Ich bin auf dem Boden der Tatsachen angekommen.“ Bei Beerbaum gibt es eine Diskrepanz zwischen seiner beeindruckenden Bilanz bei sportlich weniger wertvollen Turnieren und Misserfolgen bei großen Meisterschaften. Wenn es wirklich wichtig wird, springt Gladdys hinterher.

Beerbaum ist seit acht Jahren fast ununterbrochen Weltranglistenerster, konnte sich regelmäßig für das Weltcupfinale qualifizieren und darf sich als Sieger der Riders Tour zum zweiten Mal in Folge Reiter des Jahres nennen. Doch seine internationale Titelsammlung konnte er nach dem Olympiasieg 1992 in Barcelona lediglich um zwei Einzeltitel bei den Europameisterschaften 1997 und 2001 sowie den Weltcupsieg 1993 erweitern. Nimmt man seine Dominanz bei normalen Turnieren zum Maßstab, ist das wenig. Ein Makel, über den Beerbaum im Prinzip gut hinwegsehen kann, denn zum einen ist er mit der deutschen Equipe mehrfach Olympiasieger, Welt- und Europameister geworden. Und zum anderen ist er allein durch seine übrigen Erfolge so begehrt, dass er sich um seine reiterliche Zukunft auch mit 39 Jahren keine Sorgen machen muss. Einen deutschen Nachfolger von seinem Format gibt es für Beerbaum ohnehin nicht: „In den kommenden drei, vier Jahren sehe ich keinen.“

Seinen Marktwert schmälern die Misserfolge bei den Olympischen Spielen in Sydney und bei der WM in Jerez nicht, doch sie kratzen an seiner Ehre. „Ich habe keine Lust, über dieses Thema zu philosophieren.“ Der Sieg in der Riders Tour kann kaum entschädigen. Der Titel klingt ehrenvoll, ist aber wenig aussagekräftig, weil die von Paul Schockemöhle als „Formel 1 des Springreitens“ ins Leben gerufene Serie nur aus deutschen Turnieren besteht. Sie ist zwar die höchstdotierte Serie im Reitsport, gilt aber als sportlich nicht so wertvoll wie der Weltcup. Zuletzt stand die Tour wegen des drohenden Ausstiegs eines Sponsors sogar vor dem Aus.

Dem Weltcup droht das nicht – selbst wenn Paris und Amsterdam kürzlich aufgeben mussten. Die übrigen Springen, wie der Große Preis von Deutschland beim CHI, werden dadurch nur wertvoller. Nach seinem Sieg in Aarhus könnte Beerbaum am Sonntag dem Weltcupfinale deutlich näher rücken. Ganz leicht wird das aber nicht, denn selbst der Weltranglistenerste muss sich heute erst durch die Qualifikation quälen.

Ingo Wolff

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