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Russland

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Guus Hiddinks Team: Neues Russland

Erstmals seit dem Ende der Sowjetunion steht Russland in der K.-o.-Runde eines großen Turniers. Zu verdanken ist dies Guus Hiddink. Der Holländer hat seine Spieler den Tempofußball seines Heimatlands gelehrt. Besteht die Kopie nun gegen das Original?

Unter Guus Hiddink ist einiges anders geworden in der russischen Nationalmannschaft. Zum Beispiel die Farbe der Trikots. Am Mittwoch, beim 2:0 über Schweden, spielten die Russen nicht wie früher in Blau oder Weiß. Innsbruck sah die Russen leuchten. In einer Tönung, die so gar nicht an das klassische Armeerot aus der alten Sowjetunion erinnerte, sondern – genau! – an das holländische Orange. Gemeinsam mit den Holländern haben die Russen bisher den aufregendsten Fußball bei dieser Europameisterschaft gezeigt, und es ist wohl kein Zufall, dass ihr Trainer ein Holländer ist. Nun trifft er morgen im Viertelfinale von Basel auf seine Landsleute. Der Fußball weiß nicht so recht, ob er sich freuen soll auf ein spektakuläres Spiel zweier spektakulärer Mannschaften. Oder ob er traurig sein soll, dass eine dieser beiden Mannschaften am Tag danach nach Hause reisen muss.

Guus Hiddink hat ein Faible für den schönen Fußball. Und doch oft erfahren müssen, dass Schönheit selten siegt. 1998 betreute er die Holländer bei der WM in Frankreich. Sie spielten so anmutig wie zuletzt 1974 in Deutschland, sie besiegten Argentinien im Viertelfinale und scheiterten doch wieder tragisch. Patrick Kluivert hätte im Halbfinale von Marseille drei, vier Tore schießen können. Er schoss immerhin eins. Zu wenig: Brasilien gewann nach Elfmeterschießen. Es ist diese Nachlässigkeit der Ästheten, die bei Hiddink auch im russischen Amt Unbehagen auslöst. Am Mittwoch hätte es auch ein 4:0 gegen Schweden sein können, allein der begnadete Roman Pawljutschenko scheiterte dreimal in bester Position. Ein Rest von Naivität, sagt Hiddink, „das kann hart bestraft werden“. Wie im ersten Spiel, als die jungen Russen nicht die Fallen witterten, die ihnen die routinierten Spanier immer wieder stellten. Russland verlor 1:4, weit unter Wert, aber wen interessiert das am Ende schon?

Am Mittwoch ging es gut aus. Hiddink lobte, trotz aller Nachlässigkeiten, den modernen Fußball seiner Mannschaft, die bemerkenswerten Fortschritte in denkbar kurzer Zeit. Einmal hat er sogar getanzt, ganz kurz, bis ihm die Allgegenwart der Fernsehkameras wieder bewusst wurde. Der Trainer kokettiert ganz gern mit seinen 61 Jahren, und dass er so etwas wie eine Vaterfigur für die jungen Spieler ist. Der Vater hat nicht an der Seitenlinie zu tanzen. Aber sein Herz scheint vor Freude und Stolz zu hüpfen, wenn er von seiner Mannschaft erzählt, er hat sie aufgebaut in den vergangenen eineinhalb Jahren. Die Hälfte der altgedienten Spieler musste gehen, Hiddink wollte nicht mit der Vergangenheit arbeiten, sondern mit der Zukunft.

Das war nicht immer einfach. Weder für Hiddink noch für die Spieler. Der Trainer nutzt jede Gelegenheit, die Infrastruktur in Russland zu kritisieren. Die veralteten Trainingsanlagen und Methoden, und ohne den überraschenden Erfolg in der EM-Qualifikation hätte er sein Rencontre mit der Nomenklatur kaum überstanden. Die Spieler, als Privilegierte seit jeher verwöhnt, mussten unter dem neuen Trainer so hart arbeiten wie noch nie. Hiddink hat sie gefragt: „,Wollt ihr kämpfen oder fliegen?’ Sie haben sich für das Kämpfen entschieden.“ Zum Beispiel Pawljutschenko, der begnadete Stürmer aus Moskau. Vier Kilogramm hat er in den vergangenen Wochen abgenommen, „der wird von mir gejagt“, sagt Hiddink. „Roman besitzt unglaubliches Potenzial, hatte aber lange ein Problem mit seiner Einstellung. Jetzt hat er die Herausforderung angenommen, und wir gehen sehr respektvoll miteinander um.“

Jetzt also gegen Holland. Gegen die Heimat. Im Februar 2007 haben sie schon einmal gegeneinander gespielt. 4:1 siegten die Holländer. Damals aber hat noch die alte russische Mannschaft gespielt, eine, die reagierte und damit schon überfordert war. Die neuen Russen agieren, und es wird nicht leicht sein, sie zu stoppen. Zum ersten Mal seit der Zerschlagung der Sowjetunion steht Russland bei einem großen Turnier in der K.-o-Runde. Der letzte große Erfolg liegt 20 Jahre zurück, und es war damals auch nur ein halber. Bei der EM in Deutschland spielte sich die Sowjetunion vor bis ins Finale von München. Dieses endete, endlich einmal, mit dem Triumph des schönen Fußballs. 2:0 siegten die Holländer durch zwei Tore von Marco van Basten, damals der beste Stürmer der Welt. Auch morgen in Basel wird van Basten wieder dabei sein. Als Chef auf der holländischen Trainerbank.

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