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Sport: H. G. Winkler im Gespräch: "Pferde sind richtige Vielflieger"

Hans Günter Winkler (74) ist weltweit der erfolgreichste Springreiter aller Zeiten. Einzel-Olympiasieger wurde er 1956 und mit der Mannschaft 1956, 1960, 1964 und 1972.

Hans Günter Winkler (74) ist weltweit der erfolgreichste Springreiter aller Zeiten. Einzel-Olympiasieger wurde er 1956 und mit der Mannschaft 1956, 1960, 1964 und 1972. Er wurde Weltmeister 1954 und 1955, Europameister 1957 und ritt für Deutschland 107 Nationenpreise (45 Siege). 1975 erhielt er das Große Bundesverdienstkreuz.

Herr Winkler, bei den Spielen 1956 in Melbourne erritten Sie auf Halla Gold im Einzel und für die Mannschaft. Dabei waren Sie damals gar nicht in Australien...

Das stimmt, leider. Die Reiterspiele fanden damals etwas außerhalb von Melbourne statt, in Stockholm. Es waren herrliche Spiele.

Herrlich, weil Sie gewonnen haben - oder weil Sie sich die Reisestrapazen ersparen konnten?

Beides. Aber sehen Sie, Australien hatte schon damals rigide Quarantänebestimmungen, und die Reisebedingungen waren um vieles schlechter als heute. Der heutige Transport der Pferde nach Sydney ist dagegen reinster Luxus. Die Pferde fliegen um die halbe Welt, ohne zu merken, dass sie eigentlich fliegen.

Was denn, Pferde kennen keinen Jetlag?

Oh doch. Die Tiere empfinden manches noch stärker als wir Menschen.

Die Quarantäne begann in Europa bereits am 8. August des Jahres. Nach einer mehrwöchigen Gruppenhaft müssen die vierbeinigen Spitzensportler nochmals für 14 Tage im Horsley-Park von Sydney hinter Gitter. Warum sind denn die Quarantänevorschriften so rigide für Australien?

Nun, die Tierindustrie in Australien ist milliardenschwer. Und die will ihre Tiere schützen vor Krankheiten oder Krankheitserregern. Es geht gar nicht so sehr um die Pferdezucht. Auch Schafe und Rinder können betroffen werden.

Was hat sich denn für die Pferde auf den langen Flügen gegenüber früher geändert?

So ziemlich alles. Früher glichen solche Reisen einem Himmelfahrtskommando. Ich erinnere mich noch, auf Flügen nach Mexiko mussten sogar Nottötungen vorgenommen werden.

Warum denn das?

Pferde können vor allem sehr stark unter Platzangst leiden. Heute gibt es extra umgebaute Pferde-Jumbos. Maximal 50 oder 55 Pferde werden mitgenommen, und sie stehen in herrlichen Dreier- oder Doppelboxen. Business Class könnte man das nennen, wenn nicht gar First Class. Und wissen Sie was, aus Rücksicht auf die tierische Fracht starten und landen die Piloten in einem flacheren Winkel als bei reinen Personenflügen.

Und dann hat jedes Pferd noch seine eigene Flugbegleiterin, oder?

In gewisser Weise schon. Für das seelische Wohlbefinden der Tiere ist gesorgt. Im Flieger sieht es fast so aus wie im Stall. Eine lange Boxengasse, und links und rechts stehen die geräumigen Boxen. Pfleger und Ärzte fliegen natürlich mit. Zudem wird die Temperatur im Frachtraum auf pferdefreundliche 16 bis 18 Grad Celsius gehalten.

Es fliegt sich also prima als Pferd ans andere Ende der Welt?

Davon gehe ich aus. Die meisten Pferde kennen das ja. Sie dösen während des Fluges vor sich hin, oder sie schlafen ganz einfach. Bekanntlich können Pferde das ja im Stehen. Pferde sind nämlich richtige Vielflieger.

Was sich bestimmt gut macht für das pferdegebundene Meilenkonto, oder?

Nein, dieses Mal geht das nicht. Die Kosten trägt ja im Wesentlichen das NOK für Deutschland, beziehungsweise die Deutsche Reiterliche Vereinigung, die die Zusatzkosten trägt.

Von zwei Millionen Mark ist da die Rede ...

Wenn Sie es so gehört haben.

Die Kosten für Hin- und Rückflüge in einer Zweierbox belaufen sich pro Pferd plus seiner 350 kg schweren Ausrüstung auf zirka 76 000 Mark. Sind denn diese Summen heute noch vermittelbar, bei allem, was es sonst noch zu erledigen gibt auf dieser Welt?

Die Frage stellt sich so nicht. Das Geld ist zweckgebunden vorhanden. Aber sehen Sie, so schön es auch damals war in Stockholm, die Reiterei braucht heute die Nähe zu den Olympischen Spielen. Glauben Sie mir, es ist der Wunsch eines jeden Reiters, mal die Spiele zu reiten. Damals hatte sich die Reiterei selbst ausgelagert. Heute stehen andere Mittel und Möglichkeiten zur Verfügung. Die Seperierung wäre nicht gut. Also fliegen wir auf die andere Seite der Welt.

Aber warum starteten von Europa aus fast alle vierbeinigen Olympiateilnehmer ...

Der Grund dafür ist ein einfacher. In Europa leben die besten Reiter der Welt. Selbst australische und neuseeländische Kandidaten sowie die meisten japanischen und südkoreanischen Reiter trainieren und starten in Europa.

Gehen wir noch einmal 44 Jahre zurück. Sie gewannen damals die beiden ersten Ihrer fünf Olympischen Goldmedaillen. Was ist von damals hängen geblieben?

Du meine Güte. Aber gut. Im ersten Umlauf von Stockholm hatte ich mich schwer an der Leiste verletzt. Aber eine Aufgabe hätte den Verlust der Chance auf Gold auch für die Mannschaft bedeutet, denn es gab damals noch kein Streichergebnis. Alles andere machte meine Stute Halla. Sie ist praktisch ohne große Hilfe durch mich im zweiten Umlauf, einem olympischen Parcours immerhin, fehlerfrei geblieben. Mehr muss ich dazu nicht sagen.

Herr Winkler[bei den Spielen 1956 in Melbourne er]

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