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Sport: Haas hilft Haas

Tennisprofi führt ein Selbstgespräch und steht im Halbfinale von Melbourne

Melbourne - Im vierten Satz glaubte Nikolaj Dawidenko, mit seinem Gegner stimme etwas nicht. „Oh, oh, das war seltsam“, sagt der Russe, „ich dachte, Thomas Haas wird verrückt.“ Der deutsche Tennisprofi saß auf seinem Stuhl und redete mit sich selbst. „Du bist schwach“, sagte Haas zu sich, „zu viele Fehler, du gehst nicht ans Netz, ich habe keinen Bock mehr, für wen mache ich die ganze Scheiße außer für mich?“ Dawidenko lebt in Deutschland und verstand daher alles, was sein Gegner sagte. Staunend hörte er weiter zu. „Du bist ein Vollidiot“, beschimpfte sich Haas selbst, „aber du gewinnst das Match, fighte!“ Danach gehorchte er sich selbst.

Das kuriose Selbstgespräch hat Thomas Haas im Viertelfinale der Australian Open auf den richtige Weg gebracht. 6:3, 2:6, 1:6, 6:1, 7:5 bezwang er den Russen Dawidenko, gegen den er zuvor zweimal verloren hatte. „Das war sicherlich eines der wichtigsten Matches meiner Karriere“, sagte er, „ich wollte unbedingt die Revanche.“ Im fünften Satz wehrte er gegen die Nummer drei der Weltrangliste einen Matchball ab und steht nun nach 1999 und 2002 zum dritten Mal im Halbfinale der Australian Open. Am Freitag (9.45 Uhr, live auf Eurosport) trifft er auf den Chilenen Fernando Gonzalez, der den Spanier Rafael Nadal 6:2, 6:4, 6:3 entzauberte. „Er hat einen unangenehmen Aufschlag und eine gute Vorhand“, sagte Haas. Das andere Halbfinale bestreiten Roger Federer und Andy Roddick.

Fast unauffällig hat sich Thomas Haas in Melbourne unter die besten vier Spieler geschlichen. „Es ist gut, wenn die jungen Spieler und natürlich Roger Federer die ganze Aufmerksamkeit bekommen“, sagte er, „ich kann damit leben.“ Spätestens nach seinen Erfolgen über Nalbandian und Dawidenko dürfte aber auch er nicht mehr unterschätzt werden.

Der Trainerwechsel zu Thomas Hogstedt scheint ihm gut bekommen zu sein. Zurzeit spielt er so gut Tennis wie nie zuvor. „Vor fünf Jahren, als ich bis zur Nummer zwei aufgestiegen bin, habe ich ein Jahr lang sehr solide Tennis gespielt“, sagt Haas, „aber das Spiel ist in jedem Jahr stärker und besser geworden, deshalb glaube ich, dass ich jetzt besser spiele als früher.“

Das war freilich im zweiten und dritten Satz nicht zu erkennen, die er deutlich an den Russen abgab. „Da waren einige Dinge, die mir durch den Kopf gingen, es flogen auch Tauben durch das Stadion“, sagt Haas, „ich habe mich auf viele andere Dinge fokussiert, wie es mir manchmal passiert.“ Erst nach seinem Selbstgespräch im vierten Satz wurde es besser. Im fünften Satz boten beide hochklassiges Tennis. Haas kam nach einem 1:3-Rückstand wieder zurück, wehrte beim Stand von 4:5 einen Matchball ab und nutzte schließlich nach 3 Stunden und 19 Minuten seinen zweiten Matchball zum Sieg.

„Das sind die Momente, für die man trainiert“, sagte Haas, „deshalb habe ich meine Emotionen rausgelassen.“ Auch im vierten Satz. Der 28 Jahre alte Tennisprofi wusste später selbst nicht mehr, was er mit sich so lautstark besprochen hatte. „Man sollte nicht darauf hören“, sagte Haas, „man sollte das Mikrofon einfach ausschalten.“ Damit man ihn auch weiterhin für zurechnungsfähig hält.dpa

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