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Mann bleibt unter sich. Bei Hakone Ekiden dürfen Frauen nicht mitlaufen.

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Hakone Ekiden: Japans langer Lauf ins neue Jahr

Das Hakone Ekiden ist einer der beliebtesten Staffelläufe in Japan. Am 2. und 3. Januar starten Athleten von 20 Hochschulen im Traditionsrennen von Hakone nach Tokio. Frauen dürfen aber nicht mitlaufen.

Nach einer durchzechten Nacht fällt es Kenji Seiya eigentlich schwer, noch gut in den Tag zu kommen. Dann liegt er so lange im Bett, bis ihn der Lärm des Verkehrs in Yokohama in die Senkrechte trommelt. Am 2. Januar sieht die Sache anders aus, jedes Jahr. „Da muss ich vormittags mindestens vorm Fernseher sitzen“, sagt er. Der schmächtige Politikstudent von der Eliteschmiede Universität Tokio, der seinen wahren Namen nicht nennen will, weil er sich gerade um Jobs bewirbt, ist selbst kein Sportler. Aber er wisse, was sich gehört.

„Ich muss die Athleten, die mich repräsentieren, ja anfeuern. Jeder macht das!“ Immer an den ersten beiden Tagen nach Neujahr läuft Japans junge Rennelite über 217,9 Kilometer eine mittlerweile legendäre Staffel. Sie geht bergauf und bergab, gegen starke Winde, eisige Temperaturen und durch kurvige Gebiete des Landes. Die zehn besten Läufer verschiedener Universitäten Japans sind dabei, jeder von ihnen läuft eine Etappe mit dem Staffelholz. Das Hakone Ekiden ist das beliebteste Rennen des Landes, in einer vielleicht beispiellos euphorischen Laufnation. Wer sich auf Japans Straßen umschaut, wird zu jeder Jahreszeit Hobbyläufer sehen, bei Olympischen Spielen gehören japanische Laufsportler fast immer zu den Favoriten. Eine der Ursachen dieser Begeisterung sind eben die in Japan so beliebten Staffelläufe, allen voran dieses Rennen von Hakone nach Tokio.

Beim ersten Hakone Ekiden 1920 nahmen nur vier Universitäten mit je zehn Läufern teil. Heute sind die Topathleten von 20 Hochschulen dabei. Nach wie vor dürfen nur Männer mitlaufen, obwohl der Laufsport längst auch unter Frauen beliebt ist. Fünf Läufer einer Mannschaft starten am 2. Januar in je eine der fünf Etappen, die ungefähr der Halbmarathonstrecke von rund 21 Kilometern entsprechen. Die anderen fünf Läufer starten am 3. Januar. Die Zeiten werden zusammengerechnet – das Team mit der geringsten Zeit hat gewonnen. Die besten zehn Truppen sind für das kommende Jahr gesetzt.

Der Name Ekiden ist eine Schöpfung aus eki (Station) und den (übertragen, übermitteln). Beim ersten Rennen dieser Art, im Jahr 1917, sollte damit an den 50. Jahrestag des Wechsels der Hauptstadt von der weiter westlich gelegenen alten Kaiserstadt Kyoto zur heute größten Metropolregion der Welt Tokio erinnert werden. Drei Tage dauerte der Wettlauf damals, erstreckte sich über 507 Kilometer – die genaue Entfernung zwischen den beiden Städten.

Heute gibt es Ekiden-Läufe das ganze Jahr über. Universitätsmannschaften, Betriebssportler und Profiathleten nehmen teil, und es geht nicht nur darum, die Ziellinie als Erster zu überqueren. Für die einen kann ein gutes Abschneiden die Beförderung im Job bedeuten, für andere den Sprung in den Profibereich. „Mittelmäßige Studenten schaffen es als gute Ekiden-Läufer auch in die großen Unternehmen, die gute Betriebssportmannschaften unterhalten“, sagt Tad Hayano, selbst passionierter Läufer und Organisator des Tokio-Marathon, jenes Laufs mit den weltweit meisten Bewerbungen.

„Wir Japaner lieben das Laufen“, sagt Hayano zufrieden und suhlt sich in seinem Sessel in einem Hochhaus in Tokios Stadtteil Shinjuku, in Nachbarschaft des Rathauses. „Es gehört einfach zu uns.“ Seitdem die Marathonstrecken in Japan, die traditionell nur für die Elite gedacht waren, auch für Amateurläufer geöffnet wurden, boomt der Laufsport überall im Land. „Das liegt daran, dass die Menschen hier schon immer gerne Laufsport angesehen haben, aber es sich nie zutrauten, selber mitzumachen.“ Die Faszination mit Dauerläufen reicht weit zurück. „Die Ekiden können dabei gar nicht unterschätzt werden“, sagt auch Hayano.

Als beliebtester Lauf wird das Hakone Ekiden jedes Jahr live durch Nippon Television, das größte Netzwerk Japans, übertragen. Beinahe jeder Japaner weiß zumindest, dass die Veranstaltung stattfindet, Millionen schauen vor den Bildschirmen zu. Auch die Strecken selbst sind gut besucht. Für die Läufer selbst ist gerade das Hakone Ekiden jedes Jahr ein wichtiger Termin, weil dort Späher sind, die nach Talenten suchen. Manchmal ist es auch nur eine Inspiration. Kenji Seiya ist noch nie über eine längere Strecke gelaufen. Bevor der 22-Jährige sein Studium abschließt, hat er neben den besten Noten noch ein großes Ziel: „Ich muss unbedingt einen Halbmarathon schaffen.“ Um sich die mentale Kraft und ein paar Tipps abzuholen, will er diesmal wieder am Straßenrand stehen.

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