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Sport: Halbprofis und Halbbeamte

Die Erfolge von Ajax in der Champions League kaschieren die Probleme des holländischen Fußballs

Amsterdam . Nach einer Dreiviertelstunde war alles vorbei. Nach einer Dreiviertelstunde waren auch die letzten Karten für das Spiel gegen den AC Mailand verkauft. 51 342 Menschen in der Arena, Viertelfinale der Champions League – das hat es seit 1997 nicht mehr in Amsterdam gegeben. Und die Chancen für das Halbfinale sind nach dem 0:0 immer noch vorhanden.

Das ist schön für die Fans, aber für den Verein sind die Spiele gegen RKC Waalwijk, De Graafschap und Willem II eigentlich viel wichtiger. Ajax ist Zweiter in der Ehrendivision, liegt nur noch einen Punkt vor Feyenoord, doch wenn die Amsterdamer diesen Vorsprung bis zum Ende der Saison verteidigen, dürfen sie im nächsten Jahr wieder in der Champions League spielen. Das würde dem Verein viel Geld einbringen – Geld, das er dringend benötigt. Im vergangenen Geschäftsjahr hat die Aktiengesellschaft Ajax 25,8 Millionen Euro Verlust erwirtschaftet.

Der nationale Renommierklub der Niederlande besitzt auch in dieser Hinsicht Vorbildcharakter. Dem holländischen Fußball geht es schlecht, viel schlechter noch als dem kirchkrisengeschüttelten deutschen Fußball. In der vergangenen Saison haben die 36 Erst- und Zweitligisten einen Verlust von 80 Millionen Euro gemacht – dreimal so viel wie im Jahr zuvor. Die Hälfte der 18 Zweitligisten will daher im kommenden Jahr zum Halbprofitum zurückkehren. Immer häufiger aber müssen auch die Städte und Gemeinden einspringen, um ihren örtlichen Profiklub mit finanzieller Hilfe am Leben zu erhalten. Das Modell Kaiserslautern ist gewissermaßen in Holland erdacht und bis zur Marktreife entwickelt worden.

„Fußballprofis sind immer öfter eine Art Halbbeamte im städtischen Dienst”, hat die „Volkskrant“ über die Folgen des niederländischen Finanzierungsmodells geschrieben. Nur einer der 36 Vereine ist im vergangenen Jahr ohne kommunale Unterstützung über die Runden gekommen: der Philips-Verein PSV Eindhoven. Eine aktuelle Untersuchung hat ergeben, dass die Kommunen ihren örtlichen Fußballklubs in den vergangenen zehn Jahren 178-mal finanziell zu Hilfe gekommen sind – mit insgesamt 300 Millionen Euro.Hauptgrund für die finanzielle Misere des holländischen Fußballs ist das Bosman-Urteil aus dem Jahr 1995. Traditionell decken die Vereine in den Niederlanden ihren Finanzbedarf vor allem durch den Verkauf ihrer besten Spieler. Die großen drei (Ajax, PSV und Feyenoord) geben ihre Topleute ins Ausland ab, die Erlöse reinvestieren sie dann im eigenen Land. Durch das Bosman-Urteil aber ist dieser Geldkreislauf weitgehend zum Erliegen gekommen. Spieler warten nun, bis ihre Verträge auslaufen und wechseln dann ohne Ablöse.

Auf der Suche nach neuen Finanzquellen sind die niederländischen Vereine immer häufiger der Idee verfallen, dass sie mit neuen, größeren und komfortableren Stadien mehr Geld verdienen können. Die Anschubfinanzierung allerdings überlassen die Klubs meistens großzügig den Gemeinden. Nur selten wagen es Kommunalpolitiker, dagegen aufzubegehren. Wer es trotzdem tut, wird mit Hassmails eingedeckt oder am Telefon von aufgebrachten Fans beleidigt. Der 1. FC Kaiserslautern jedenfalls könnte in den Niederlanden noch eine Menge lernen. In Breda zum Beispiel. Dort hat die Stadt im Januar für 15,7 Millionen Euro das Stadion des Ehrendivisionärs NAC gekauft. Immerhin besitzt die Gemeinde auf diesem Gebiet inzwischen einige Erfahrung. Schon 1980 hatte sie das alte Stadion des Klubs erworben, das NAC dann wiederum 1989 von der Stadt zurückkaufte – für den symbolischen Preis von einem Gulden (ungefähr 55 Cent). Innerhalb von sieben Jahren erfuhr das Stadion die fast unglaubliche Wertsteigerung von 500 Millionen Prozent. Sechs Millionen Gulden zahlte die Stadt 1996 für den Rückkauf, was sie jedoch nicht davon abhielt, sich wenig später auch am Bau eines neuen Stadions noch einmal mit zehn Millionen Gulden zu beteiligen.

Leider funktioniert die Methode nicht immer und überall. Der Zweitligist BV Veendam zum Beispiel bot der Gemeinde sein Stadion zum Verkauf an. Die Stadt aber lehnte ab: Das Stadion gehörte ihr längst.

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