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Weltmeisterschaft als Nebenjob. Eigentlich hatte Stefan Kermas seine Karriere als Hockeytrainer schon so gut wie beendet.

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Hallenhockey-WM: Vorübergehend zurückgetreten

Bei der Hallenhockey-WM hat Bundestrainer Markus Weise das Männerteam Stefan Kermas überlassen.

Der Bundestrainer ging deutlich auf Abstand zu seiner Mannschaft. Unten auf dem Feld machten sich die deutschen Hockey-Nationalspieler für ihre erste Begegnung bei der Hallen-WM in Leipzig bereit, oben, in der letzten Reihe unterm Dach, nahm Markus Weise eine bequeme Sitzhaltung ein. Die Beine angewinkelt, die Füße auf dem Geländer vor sich abgelegt. Der Bundestrainer erlebt die Hallen- Weltmeisterschaft aus ganz neuer Perspektive.

Markus Weise hat sich freiwillig in die zweite Reihe zurückgezogen und den Job als Cheftrainer an Stefan Kermas übertragen, der bis 2013 sein Assistent war. „Von außen sieht das wahrscheinlich ungewöhnlich aus“, sagt Kermas. Für ihn selbst aber „ist das keine ganz neue Situation“. Schon vor einem Jahr hat er die Nationalmannschaft bei der Hallen-EM in Wien betreut und zum Titel geführt, weil Weise zur selben Zeit mit dem A-Kader in der World League aktiv war.

Das Spiel in der Halle mag die spektakulärere Form des Hockeys sein: Es ist schneller, es fallen mehr Tore, es gibt kaum Leerlauf. Wichtiger aber ist die olympische Variante auf dem Feld – weil die Erfolge im Freien letztlich darüber entscheiden, in welchem Maße der Deutsche Hockey-Bund (DHB) vom Bundesinnenministerium gefördert wird. Die Hallen-WM in Leipzig ist für den DHB zwar aus Prestigegründen nicht zu vernachlässigen, das wichtigste Projekt des Jahres ist und bleibt aber die Qualifikation für Olympia.

Der Bundestrainer ist auch deshalb vorübergehend zurückgetreten, weil sein Fokus schon jetzt auf das Qualifikationsturnier im Juni gerichtet ist. Auch für die Spieler hat das Feld und die Teilnahme an Olympia klare Priorität. Eigentlich sollte kein aktueller Nationalspieler in Leipzig antreten. Letztlich durfte Kermas immerhin Moritz Fürste und Tobias Hauke nominieren, damit der Titelverteidiger bei der Heim-WM einigermaßen konkurrenzfähig ist.

Weise hat Kermas schon im vergangenen Sommer gefragt, ob er einspringen möchte

Markus Weise hat den gebürtigen Berliner Kermas, der inzwischen Sportdirektor beim Münchner SC ist, schon im Sommer gefragt, ob er in Leipzig für ihn einspringen wolle. „Nach zwölf Sekunden Überlegen“ habe Kermas zugesagt, erzählt der Chef-Bundestrainer. Ihm selbst falle kein Zacken aus der Krone, wenn er mit seinem früheren Assistenten die Rolle tausche. „Dieses Hierarchiespiel wird sowieso überschätzt“, sagt er. „Stefan hat nie unter mir gearbeitet, sondern immer mit mir.“ Entscheidend ist für Weise nicht der Dienstrang, sondern die Kompetenz. Er sei schon zu lange raus aus dem aktiven Hallenhockey, sagt der 52-Jährige, „außerdem kenne ich das neue Format nicht richtig“.

Kermas sitzt unten an der Bande, manchmal dreht er sich um, blickt nach oben, zieht das Revers seines Polohemds an den Mund und spricht etwas in sein Mikrofon. Weise ist per Funk mit ihm verbunden und gibt aus der Vogelperspektive sachdienliche Hinweise. Die Kompetenzen sind klar verteilt. Kermas ist verantwortlich für Ansprache und Ausrichtung des Teams, Weise nimmt eher eine Beobachterrolle ein. „Er hat feine Sensoren, ein gutes Gespür und die ganz wichtige Fähigkeit, in Mannschaften hineinzugucken“, sagt Kermas.

Markus Weise.
Markus Weise.

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Dieses Gespür hat Weise auch mit der Idee bewiesen, Kermas die Verantwortung für die Hallen-WM zu übertragen. Es ist der Versuch, den 35-Jährigen weiter an den DHB zu binden. Kermas gilt als eines der größten Trainertalente im deutschen Hockey, perspektivisch wäre er durchaus für den Job als Bundestrainer in Frage gekommen. Schon mit Mitte 20 ist er beim Berliner HC vom Torhüter-Posten auf den des Co-Trainers gewechselt, als Chefcoach gewann er mit Rot-Weiß Köln zwei Meistertitel, als Weises Assistent wurde er 2012 Olympiasieger.

Der Bundestrainer bescheinigt Kermas „A-Kader-Potenzial, absolut“. Aber vor knapp zwei Jahren hat sich der ausgebildete Jurist anders entschieden. „Ich habe die Prioritäten einfach gedreht“, sagt er. Kermas ist jetzt kein Trainer mehr, der nebenher arbeitet; er hat jetzt einen zeitintensiven Job als Geschäftsführer in einem Münchner Unternehmen und springt nur noch gelegentlich als Trainer ein. Für die WM in Leipzig, sagt Stefan Kermas, „habe ich brav sechs Tage Urlaub genommen“.

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