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Marcell Jansen

© dpa

Hamburger SV: Aufruf zum Aufbruch

Der Hamburger SV erweist sich beim 2:1 bei Leverkusen als reif für den Titel – vor allem wegen seiner Konstanz. Und wegen seiner Heimstärke: Im eigenen Stadion holte der HSV 28 von 30 möglichen Punkten.

Von Karsten Doneck, dpa

Berlin - Bisher hatten ihn die Fans als stillen, bescheidenen Burschen erlebt. Als einen, der die hochgesteckten Erwartungen zwar nicht vollends erfüllt, aber zuletzt langsam durchblicken ließ, dass die für ihn an Bayern München gezahlten acht Millionen Euro Ablöse sich irgendwann doch noch als gute Investition erweisen könnten. Marcell Jansen hat sich nach dem 2:1 (1:1)-Sieg des Hamburger SV bei Bayer Leverkusen als völlig neuer Typ erfunden. Nicht nur, dass er plötzlich als Torjäger in Erscheinung trat und mit seinen ersten beiden Treffern im Trikot des HSV seine Mannschaft an die Tabellenspitze der Bundesliga hievte. Unmittelbar nach dem Spiel feierte der 23-Jährige auch noch – völlig gelöst, das Megafon in der rechten Hand, das zugehörige Mikrofon in der linken – mit rund 8000 mitgereisten HSV-Fans den Erfolg. „Ein wichtiger Sieg für uns, denn wir wollten auch auswärts mal bestätigen, was wir zuletzt gezeigt haben“, sagte Jansen.

Bewiesen hat der HSV in dieser Saison bisher vor allem seine Heimstärke. 28 von 30 möglichen Punkten haben die Hamburger im eigenen Stadion geholt. Dass die Norddeutschen jetzt auch auswärts mal ein wichtiges Spiel gewonnen haben, macht sie zum Titelaspiranten. Was auch Mittelfeldspieler Piotr Trochowski, bestätigt, vorerst aber nur indirekt: „In dieser Saison ist viel drin, alle nehmen sich gegenseitig die Punkte weg.“

Trochowski trumpft nach van der Vaarts Abschied auf

Da ist Konstanz gefragt. Die bringt derzeit in der Bundesliga der HSV am ehesten auf. Die Mannschaft von Trainer Martin Jol hat von den letzten acht Spielen nur eines verloren, das allerdings ziemlich peinlich mit 2:3 beim Karlsruher SC – nach einer 2:0-Führung. Doch solche Rückschläge steckt der HSV kaltschnäuzig und selbstbewusst weg. Die Abwehr, obwohl aufgrund von Verletzungen und Sperren ständig neu formiert, versteht es meist geschickt, die gegnerischen Angriffe bereits weit vor dem Strafraum abzufangen. Im Mittelfeld lebt Trochowski auf und wirkt wie befreit, weil er nicht mehr im Schatten des an Real Madrid abgegebenen und dort zum Tribünengast degradierten Rafael van der Vaart steht. Beim Angriff mit Ivica Olic, Mladen Petric und Paolo Guerrero steht Jol immer wieder vor dem Luxusproblem, aus dreien die richtigen beiden für seine Elf auszuwählen. Glückliches Hamburg.

Leverkusen ist oft zu selbstverliebt

Bayer Leverkusen gilt sicher als eine der technisch reifsten Mannschaften der Bundesliga. Sie zelebriert mitunter herrlichen Offensivfußball und hat mit Patrick Helmes, der gegen den HSV das 1:1 erzielte, auch noch einen exzellenten Vollstrecker. Aber um an die Tabellenspitze vorzustoßen, spielt Bayer oft etwas zu selbstverliebt. Und als gegen den konsequenten, mitunter hart in die Zweikämpfe einsteigenden HSV von den Leverkusenern das Ärmelaufkrempeln zum Verrichten von Drecksarbeit verlangt wurde, wusste die Mannschaft nicht weiter. Aus den letzten vier Heimspielen holte Bayer ohnehin gerade mal einen einzigen Punkt.

Jols maßgeschneiderte Taktik

„Wir haben nach der Pause für eine Viertelstunde vergessen, richtig Fußball zu spielen. Danach haben wir aber sehr stark nach vorne gespielt und hätten noch das eine oder andere Tor erzielen können“, sagte Martin Jol, und keiner widersprach ihm. Der Trainer seinerseits gilt mit Unterstützung seines achtköpfigen Stabes als gewiefter Analytiker, seine Taktik wirkt meist maßgeschneidert. Und dank seiner menschlichen Art hat Jol den aufgrund einiger schwieriger Charaktere nicht einfach zu händelnden HSV-Kader gut im Griff.

Der HSV empfängt am Sonntag den VfL Wolfsburg, er hat es dann in Mönchengladbach und im eigenen Stadion mit Energie Cottbus mit zwei Abstiegskandidaten zu tun. Gute Gelegenheit also, den Spitzenplatz zu verteidigen, auch wenn gegen Wolfsburg im Defensivbereich wegen der Sperren für Collin Benjamin und Jerome Boateng wieder Umstellungen notwendig sind. „Es ist toll, wenn man in der Tabelle ganz oben steht“, schwärmt Torhüter Frank Rost, um dann aber festzustellen: „Noch schöner wäre es, wenn wir am Ende auch oben mit dabei sind.“

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