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Schwer war’s, schwer wird’s. Trainer Mirko Slomka blickt sorgenvoll in eine ungewisse Zukunft.

© dpa

Hamburger SV: Der HSV ist ein gelähmter Klub - trotz Klassenerhalts

Nach dem verhinderten Abstieg kämpfen beim HSV zwei rivalisierende Gruppen um die Macht. Dietmar Beiersdorfer könnte neuer Vorsitzender im Vorstand werden.

Beim Frühstück zur Mittagszeit wollte sich am Montag keiner der Profis lange in der Arena aufhalten. Allen war nach Urlaub. Ein paar demütige und mahnende Worte sprachen zumindest einige von ihnen einen halben Tag nach dem Fürther Drama noch aus. Marcell Jansen sagte: „Am Ende müssen wir einfach nur dankbar sein, dass wir mit zwei blauen Augen aus der Saison gekommen sind.“ Und Trainer Mirko Slomka ergänzte: „Auf Glück dürfen wir in der neuen Saison nicht mehr hoffen. Das haben wir komplett in diesen beiden Spielen aufgebraucht.“

Der Jubel über das mit 0:0, 1:1 so gerade eben erreichte Ziel Klassenverbleib war am Tag danach verflogen. „Am Ende haben wir es geschafft, ja – aber wir dürfen nicht blind in die nächste Saison gehen“, sagte Slomka. „Wir müssen in vielen Bereichen etwas verändern.“ Er hatte nie den Fehler gemacht, zu tief in die HSV-Strukturen einzusteigen. Er wird jetzt nicht mehr dran vorbeikommen. Und wenn er von den „sehr, sehr guten Möglichkeiten“ des HSV spricht, driftet Slomka schon wieder in Richtung Schönfärberei ab. In Wahrheit schaut der Trainer auf einen hoch verschuldeten Klub, dessen Mannschaft grundrenoviert werden muss, der seinen Sportchef bald verlieren wird – und der heftig um die Ausrichtung streitet.

Die Erleichterung vom Sonntagabend konnte den HSV nämlich nur ganz kurz vereinen. Am Montag brachen alte Gräben wieder auf. Die Verantwortlichen hinter der „HSV-Allianz“ um den ehemaligen Präsidenten Jürgen Hunke und den früheren Spieler Manfred Kaltz schossen scharf gegen das Konkurrenzmodell „HSVplus“ mit Otto Rieckhoff und Thomas von Heesen. Beide Gruppen wollen die Ausgliederung der Profifußball-Abteilung in eine Aktiengesellschaft und die Öffnung für Investoren, doch Personen beider Gruppen schielen auch auf Posten in der neuen Führung. An diesem Dienstag informiert „HSVplus“ über die Besetzung des möglichen Aufsichtsrates der HSV AG. Ein paar scharfe Repliken auf Hunke und Kaltz sind zu erwarten.

Beim HSV wird weiter verbittert um Macht und Einfluss gerungen

Während sich die Mannschaft zerstreute, wird in Hamburg weiter verbittert um Macht und Einfluss in diesem zerstrittenen Klub gerungen. Es wäre leicht vorstellbar, dass die Pläne der „HSV-Allianz“ in „HSVplus“ aufgegangen wären. Ein paar Kompromisse hier, ein paar Einigungen da. Dann hätte man den Mitgliedern am Sonntag bei der Versammlung ein gemeinsames Modell vorstellen können, das zumindest die Ausgliederungsbefürworter anspricht. Stattdessen blockieren sich beide Seiten. Es gibt ohnehin noch eine ganze Menge Mitglieder, die keine Ausgliederung und Öffnung für Investoren wollen.

Dadurch, dass die „HSV-Allianz“ jetzt Rieckhoff und von Heesen das Wasser abgräbt, könnte es am Sonntag doch wieder eng werden mit der benötigten Dreiviertelmehrheit. Dann wird auch mitentscheidend sein, ob Rieckhoff den früheren Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer als künftigen Vorstandsvorsitzenden präsentiert. Der stille Franke aber hält sich bedeckt. Er kann in Russland bei Zenit St. Petersburg eine Mannschaft auf Champions-League-Niveau bauen, warum sollte er da zum HSV gehen? Zumindest die Lizenz für die Bundesliga ist gesichert; die zehn Millionen Euro Überschuss, die die DFL als Sicherheit verlangt, werden über eine Bürgschaft des Spediteurs Klaus-Michael Kühne oder andere Wege eingenommen werden.

Vorstandschef? Intern hat Dietmar Beiersdorfer sein Interesse schon hinterlegt

Intern hat Beiersdorfer sein Interesse an der Aufgabe in Hamburg schon hinterlegt. Im Falle des Abstiegs wäre er kaum gekommen, nun könnte es besser aussehen. Es wäre ein Job mit Perspektive und erheblicher Machtfülle. Nach Spieler und Sportchef wäre Vorstandsvorsitzender der nächste Karriereschritt. Es wäre auch ein Job bei einem hoch verschuldeten Verein, der noch keinen neuen Spieler für die Spielzeit 2014/2105 unter Vertrag genommen hat. Und der mit großer Wahrscheinlichkeit wegen des Sparzwanges alle großen Namen von van der Vaart und Jansen über Lasogga bis Adler und Calhanoglu verlieren wird. Auch wenn Sportchef Oliver Kreuzer tapfer gegen das böse Wort vom Ausverkauf ankämpft. Kommt „HSVplus“, muss Kreuzer ohnehin gehen. Längst gelten Jens Lehmann, Bernhard Peters und Peter Knäbel als Nachfolgekandidaten. Vorstand Carl Jarchow hätte in der HSV AG auch keinen Platz mehr.

Der HSV wird noch mindestens eine Woche ein gelähmter Klub bleiben. Das verringert die Aussichten erheblich, eine sorgenfreie nächste Spielzeit zu erleben. Immerhin wird es niemanden mehr überraschen, wenn Slomka den Klassenverbleib als Saisonziel ausruft. So viel Demut dürfte der Klub gelernt haben. Oder?

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