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Hamburger SV: Die Revolte bleibt aus

Die mächtigen Fanvertreter scheitern bei der Wahl zum HSV-Aufsichtsrat. Die Supporters bringen keinen ihrer vier Kandidaten durch. Stattdessen wird der frühere Profi Sergej Barbarez in das Gremium gewählt.

Von Karsten Doneck, dpa

In rasendem Tempo feuerte er seine Wortsalven ab. Offen, schonungslos, dabei rhetorisch nicht ungeschickt. Und auch als er auf seine Rolle als Einpeitscher im Stadion zu sprechen kam, fand Johannes Liebnau den Dreh. „Fußballfans sind nun mal keine artigen Chorknaben und das Fußballstadion ist auch kein Opernhaus!“, rief er ins Auditorium. Beifall brandete auf, er hatte den Nerv vieler Mitglieder getroffen. Mit solchen Redensarten versuchte Liebnau gestern auf der Jahreshauptversammlung des Hamburger SV Stimmen zu sammeln, um als einer von acht zu wählenden Kandidaten in den insgesamt zwölfköpfigen Aufsichtsrat einzuziehen. Das Vorhaben misslang. Der 26-jährige Liebnau schaffte es zwar in den zweiten Wahlgang, fand dort aber nicht genügend Zuspruch. An seiner Stelle wurde unter anderem der frühere HSV-Profi Sergej Barbarez in den Aufsichtsrat gewählt.

Die Supporters, mit mehr als 50 000 Mitgliedern ein gewaltiger Machtfaktor, erlebten bei den Wahlen zum Aufsichtsrat ein Fiasko. Von ihren vier Kandidaten schnupperte nur Liebnau am Rande des Gremiums, doch auch er landete erst auf Platz zehn. Befürchtungen, der HSV würde einen Putsch durchs eigene Fußvolk erleben, waren damit erledigt. „Ich bin sehr überrascht über den deutlichen Ausgang gegen die Supporters-Kandidaten“, sagte Horst Becker, bisher Chef des Aufsichtsrats und mit klarer Mehrheit wieder in das Gremium gewählt.

Der HSV hatte einen Ansturm erlebt wie noch nie bei einer Versammlung. 4677 Mitglieder – von mehr als 50 000 – kamen gestern in den großen Saal des Hamburger Kongresszentrums. Und das bestimmt nicht deswegen, weil es für sie gratis eine Portion Erbsensuppe und zwei alkoholfreie Getränke gab. Zu viel Brisanz barg die Wahl. Es hatte eine starke Polarisierung der Kandidaten gegeben, reduziert im Wesentlichen auf zwei Lager. Auf der einen Seite standen die Fans, organisiert im so genannten Supporters Club. Sie sperren sich gegen eine allzu intensive Kommerzialisierung des Fußballs und machen dem Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann zum Vorwurf, er stelle die wirtschaftlichen Interessen über alles andere. Auf der anderen Seite warben honorige Leute mit hoher Wirtschaftskompetenz um Stimmen. Leute, die dem HSV als Geldbeschaffer eine Zukunft in sportlich gehobenen Regionen sichern sollen.

Bernd Hoffmann hätte im Falle allzu vieler Supporters im Aufsichtsrat Probleme bei der Amtsführung bekommen können. Insofern sorgte das Wahlergebnis für Erleichterung in den oberen Etagen des HSV. „Auch für den Vorstand ist jetzt manches einfacher“, sagte Horst Becker. Die Kandidaten, die sich gleich im ersten Wahlgang durchsetzten, unter anderem Alexander Otto, der Sohn des Versandhausgründers Werner Otto, stehen für geballte Wirtschaftskraft.

Auch Bernd Enge sitzt künftig im Rat. An dessen Vorstellungsrede hätte Bahnchef Mehdorn seine Freude gehabt. Zur Lage des HSV befand Enge: „Vor zehn Jahren waren wir ein Bummelzug mit Holzbänken, jetzt sind wir ein ICE mit allem Komfort.“ Den Supporters kommt nun die Aufgabe zu, diesen ICE zu befeuern – durch Stimmungsmache im Stadion. Alles ist also wie gehabt beim HSV. Und doch nicht ganz. Im Aufsichtsrat saßen zuletzt noch kritische Geister wie Ex-Präsident Jürgen Hunke und Ex-Profi Willi Schulz. Beide kandidierten wieder, erhielten aber zu wenige Stimmen. Eine klare Opposition gibt es im Aufsichtsrat nun nicht mehr. Dabei hatte Hunke seine einstigen Verdienste noch für den Wahlkampf nutzen wollen. „Ich habe früher mal zeitweise über Monate hinweg privat die Gehälter gezahlt in diesem Verein“, hatte er gesagt. Aber auch das half ihm nicht.

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