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Mann mit Mut. Rafael van der Vaart stellte sich nach der Niederlage gegen Hertha den wütenden HSV-Fans.

© dpa

Hamburger SV in der Krise: Der Absturz geht weiter

Beim Hamburger SV kommt es zu Tumulten, der Aufsichtsrat traf sich zur Krisensitzung, bisher jedoch ergebnislos. Angeblich steht Felix Magath bereit, doch zunächst hält der Verein an Trainer Bert van Marwijk fest.

Am Morgen danach lassen sich die gespenstischen Szenen vom Vorabend etwas besser einordnen. Vereinschef Carl-Edgar Jarchow sagt ruhig: „Dass Spieler von einigen Fans über den Parkplatz gejagt werden, ist inakzeptabel.“ So etwas hat es in der langen Geschichte des Hamburger SV noch nicht gegeben.

Als die Profis Ola John und Tolgay Arslan am Samstagabend nach dem 0:3 gegen Hertha BSC zu ihren Autos gehen, rennen ihnen gut zwei Dutzend Männer hinterher. Die beiden steigen ein, und einige der wütenden Fans schlagen auf die Fahrzeuge, treten gegen die Reifen. Polizisten und Ordner bahnen den Spielern in ihren Fahrzeugen den Weg. Die Ordnungshüter setzen Pfefferspray und Schlagstöcke ein.

Zuvor hat Kapitän Rafael van der Vaart versucht, die Wogen zu glätten. 250 Anhänger warten am Spielerausgang und schimpfen. „Wir sind Hamburger, und ihr nicht“, „Vorstand raus!“, „Scheiß Millionäre“, die üblichen Slogans. Einige Spieler kommen heraus, gehen von der geballten Aggressivität eingeschüchtert aber wieder weg. Feuerzeuge und Bierbecher fliegen. Van der Vaart geht an den Zaun, stellt sich, wird beschimpft, er wird geschubst und schubst selbst, ist aufgebracht und wird wieder nach innen beordert. Jarchows Worte finden kein Gehör. Es riecht nach Krawall, Argumente verhallen.

Eine Stunde später, nachdem sich die Jagdszenen schon abgespielt haben, kommt van der Vaart noch einmal heraus. Freundin und Vater an der Seite, redet er diesmal ruhig und sachlich mit den verbleibenden Protestlern. Wer diese Szenen miterlebt hat, kann nur sagen: ein mutiger Mann, dieser Rafael van der Vaart.

Die Furcht vor dem Abstieg ist auch in den Führungsgremien des Tabellen-Siebzehnten so groß geworden, dass es am Sonntagnachmittag eine Krisensitzung gab. Der neue Aufsichtsratschef Jens Meier verlangte von Jarchow und den Vorstandskollegen Joachim Hilke und Oliver Kreuzer eine Erklärung über das weitere Vorgehen. Das Gros der Räte soll gegen eine Weiterbeschäftigung des Trainers Bert van Marwijk sein. Jarchow und Kreuzer aber wollen mit van Marwijk weitermachen. „Wir haben kein Trainerproblem, wir haben ein Defensivproblem“, sagte Kreuzer. „Wir werden auch vor dem Aufsichtsrat am Trainer festhalten“, behauptete Carl Jarchow.

Das Treffen der Verantwortlichen endete am späten Abend ohne Ergebnis: „Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es kein Ergebnis zu verkünden“, sagte HSV-Mediendirektor Jörn Wolf. Die Aufsichtsratsmitglieder hatten sich durch den Hintereingang aus dem Hotel gestohlen. Bert van Marwijk bleibt Trainer. Er werde am Montag beginnen, „die Mannschaft auf das Pokalspiel gegen Bayern vorzubereiten“, betonte Wolf und erklärte, eine weitere Sitzung sei nicht anberaumt worden.

Einige Kontrolleure sollen den Vorstand bedrängt haben, sich sofort von van Marwijk zu trennen. Sie sollen gedroht haben, den Vorstand abzuberufen, lasse er sich nicht davon abbringen, mit van Marwijk in die letzten 14 Bundesligaspiele zu gehen. Um eine Mehrheit gegen den Vorstand zu bekommen, müssten acht der elf Räte bereit sein, gegen Jarchow und Kreuzer zu stimmen. Dann könnte Felix Magath übernehmen. Magath ist bereit, zunächst in Doppelfunktion für den HSV zu arbeiten, wie er am Sonntagabend bestätigte. Zunächst als Trainer, dann ab der nächsten Saison als Vorstand wolle er seinen Lieblingsklub wieder flott machen. Das würde bedeuten, dass van Marwijk und Kreuzer gehen müssten. Allerdings müsste sich im Rat erst eine Mehrheit für Magath finden. Nach Magaths Worten soll eine Entscheidung bis Montag fallen.

Übelnehmen kann man es den Räten nicht, dass sie sich nach Alternativen umsehen. Der gern bemühte Satz „ein Jahr Zweite Liga täte dem HSV gut“, ist so populistisch wie falsch. Bei 100 Millionen Euro Schulden und einem nicht abbezahlten Stadion rutschte der HSV wegen sinkender Einnahmen in die Nähe der Insolvenz.

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