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Hamburger SV: Inflation in Rot

Ungute Entwicklung: Den Hamburger SV verlassen im Kampf um Platz zwei allmählich die Nerven und die Kräfte.

Von Karsten Doneck, dpa

Frank Rost giftete einfach drauflos. „Vor so einem Spiel kann man sich nicht gegenseitig attackieren. Da müssen sich einige bei uns mal selbst hinterfragen“, wetterte der Torwart des Hamburger SV, noch spürbar erbost darüber, dass seine Mannschaft kurz zuvor gegen Abstiegskandidat Arminia Bielefeld im eigenen Stadion nur ein dürftiges 1:1 erreicht hatte. Rosts Kritik richtete sich gegen Bastian Reinhardt. Der Abwehrspieler hatte Anfang voriger Woche HSV-Spielmacher Rafael van der Vaart öffentlich madig gemacht. Mitten in van der Vaarts offenkundige Formkrise hinein hatte Reinhardt den Holländer gescholten, er müsse „wieder lernen, mehr nach hinten zu arbeiten, gerade, wenn es nicht läuft“. Als Reinhardt das Echo seiner Worte gewahr wurde, ruderte er zurück, telefonierte mit van der Vaart und schaffte dabei nach Auskunft beider HSV-Profis die Sache aus der Welt. Reinhardt sagte reumütig: „Ich hätte mir das verkneifen sollen.“

Ob der Disput damit tatsächlich ausgeräumt ist oder nicht: Beim Hamburger SV weicht der ehedem so gute Zusammenhalt in jüngster Zeit einer erhöhten Gereiztheit. Das drückt sich nicht nur in kleinen verbalen Scharmützeln untereinander aus, sondern auch in einer fast schon inflationären Anzahl von Platzverweisen. In Wolfsburg flogen Vincent Kompany mit Gelb-Rot und Joris Mathijsen mit der Roten Karte vom Platz, gegen Bielefeld sah David Jarolim für einen Griff in den Unterleib des Arminen Markus Schuler Rot. „Das war eine Disziplinlosigkeit von Jarolim“, grollte HSV-Trainer Huub Stevens und kündigte prompt eine Bestrafung des Sünders an: „So etwas kann ich nicht akzeptieren.“

Zwei Spiele, drei Platzverweise. Es scheint, als würde der HSV im Kampf um Tabellenplatz zwei langsam die Nerven verlieren. Trainer Stevens, der Disziplinfanatiker, entdeckt wenige Wochen vor seinem Abschied aus Hamburg plötzlich Probleme, die zu beseitigen auch ihm Mühe bereitet. Frank Rost rät dazu, alles, was jetzt die Konzentration auf die Verteidigung des zweiten Tabellenplatzes stören könnte, zumindest unter dem Deckel zu halten. „Wir müssen uns jetzt alle zusammenreißen und die Dinge intern klären“, fordert der Torwart.

Kräftemäßig scheint die Mannschaft in dieser Saison ohnehin schon weit über ihren Zenit hinaus. Gegen Bielefeld bestritt der HSV, letztlich bedingt durch die Teilnahme am UI-Cup, bereits sein 44. Pflichtspiel in dieser Saison. So oft hat kein anderer Bundesligist spielen müssen. Profis wie Jarolim und Ivica Olic, deren Spiel von hoher Laufintensität geprägt ist, ist die Belastung am deutlichsten anzumerken: Sie wirken ausgebrannt. Unter solchen Umständen ist höchst fraglich, ob der HSV die Kraft findet, um die Vorgabe von Frank Rost umzusetzen. „Wir müssen wieder kratzen und spucken – und endlich wieder als echtes Team auftreten“, hatte der Torwart nach dem Bielefeld-Spiel verlangt. Vor Kurzem galt beim HSV noch die sich über alle sportlichen Missstände hinwegsetzende Erfolgsformel: Wenn nichts mehr geht, haben wir immer noch einen van der Vaart. Doch die genialen Momente des Holländers sind rar geworden. Van der Vaart rechtfertigt sich: „Ich bin doch keine Maschine.“

Solche Erklärungen haben ihn aber nicht vor Bastian Reinhardts Kritik geschützt. Reinhardt, einer der Wortführer im HSV-Kader und für klare Aussagen bekannt, hat sich damit aber nur den Zorn der Mitspieler zugezogen. Rost klagt: „Das ist doch nur für die Galerie und um sich zu profilieren, das bringt nichts.“

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